10.07.2001

LANDTAGSREDE: Antrag der CDU zum Ehrenamt

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Auch nach dieser Begründung durch den Abgeordneten der CDU-Fraktion – um es gleich vorwegzunehmen – werden wir dem Antrag in der vorliegenden Form nicht zustimmen können.

Lassen Sie mich einige Vorbemerkungen machen.

Über die Bedeutung des Ehrenamtes für unser Gemeinwesen in Deutschland und speziell hier bei uns in Schleswig-Holstein dürfte ein breiter, partei- und fraktionsübergreifender Konsens bestehen. Das ist auch in früheren Debatten des Landtages, wie ich nachlesen konnte, zum Ausdruck gekommen.

Mehr als 15 Millionen Menschen in Deutschland leisten für andere ehrenamtliche Arbeit. Ohne sie würden

  • die Kultur,
  • der Sport,
  • die Kirchen,
  • der Einsatz für Frauen, junge Menschen, Senioren, für Behinderte,
  • der Katastrophenschutz und die Feuerwehr,
  • der Umwelt- und Naturschutz,
  • die Gewerkschaften,
  • und die Kommunalpolitik

nicht funktionieren. Ohne dieses Element des Bürgerengagements in vielen gesellschaftlichen Bereichen wäre unser Gemeinwesen ärmer. In manchen Bereichen, wo Menschen sich ehrenamtlich engagieren, wäre es sogar in seiner Existenz gefährdet oder nur mit großem finanziellen Aufwand durch professionelle Dienstleistungen zu ersetzen.

In diesem Sinne ist ehrenamtliches Tun für unsere Gesellschaft unbezahlbar.

Es ist sicher auch nicht übertrieben festzustellen, dass ehrenamtliches Engagement in unserer Gesellschaft ein wesentliches, wenn nicht sogar das entscheidende Merkmal unseres sozialen und demokratischen Gemeinwesens ist.

Im wahrsten Sinne des Wortes wäre unsere Gesellschaft – und vor allem der Staat – ärmer, wenn all die Leistungen, die in Vereinen, Organisationen, Initiativen und in Wohlfahrtsverbänden ehrenamtlich erbracht werden – und das heißt eben auch ohne Lohn und Gehalt dafür zu erhalten -, gegen entsprechendes Entgelt und von uns allen bezahlt werden müssten.

Weil das so ist und weil ehrenamtliches Engagement unverzichtbarer Bestandteil unserer Bürgergesellschaft ist, hat auch die jetziger Regierungskoalition in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben:

„Bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement in Verbindung mit den Hilfsangeboten der Wohlfahrtsverbände und anderer Träger sind substanzielle Bestandteile der sozialen Infrastruktur und werden entsprechend gefördert und unterstützt.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

es ist ein wesentliches Merkmal einer aktiven Bürgergesellschaft, dass Menschen sich unentgeltlich, also ehrenamtlich engagieren. Und es ist sowohl politisch als auch im Rahmen eines gesellschaftlichen Konsenses erforderlich, dafür zu sorgen, dass diese Menschen zumindest keine finanziellen Nachteile dadurch haben, dass sie sich für die Allgemeinheit engagieren.

Was ist nun eigentlich der Konflikt?

Nach einer Beurteilung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger sind Aufwandsentschädigungen, teilweise steuer- und sozialversicherungspflichtig. Nachdem bereits Übungsleiterinnen in Sportvereinen und andere, die in ähnlich tätig sind, nach der Neuregelung der Geringfügigenbeschäftigung im Jahr 1999 sozialversicherungspflichtig wurden, sind nun von der aktuellen Diskussion Feuerwehrleute sowie ehrenamtliche Politikerinnen betroffen.

Das Bundessozialgericht hat wiederholt entschieden, dass Ehrenbeamte in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, wenn sie - über Repräsentationsaufgaben hinaus - dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsfunktionen auszuüben haben. (Bundessozialgericht vom 24.6.98). Das heißt im Klartext: Immer dann, wenn Ehrenamtliche Aufgaben erfüllen, für die andere Geld bekommen, unterliegen auch sie mit ihrer Aufwandsentschädigung der Sozialversicherungspflicht.

Die Sozialversicherungspflicht ist insofern auch in diesem Bereich nichts Neues. Sie wird nur zur Zeit noch in den Bundesländern unterschiedlich umgesetzt. In der Tat gibt es Hinweise dafür, dass auch die Länder hier Einfluss auf Versicherungspflichtgrenzen in diesem Bereich nehmen können.

Hier ist nun durch die Feststellung der Steuer-, aber auch der Sozialversicherungspflicht für ehrenamtlich Tätige, die eine Aufwandsentschädigung hierfür erhalten, eine Entwicklung eingetreten, die von uns bedauert wird und die auf geeignetem Wege korrigiert werden muss.

Denn auch wir haben die Sorge, dass durch diese Entwicklung die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, zusätzlich belastet wird. Und zwar in allen Bereichen, nicht nur im Bereich der kommunalpolitischen Betätigung.

Der von der CDU vorgeschlagene Weg ist aber nicht geeignet, dieses Problem zu lösen. Denn in der Tat muss ein Unterschied gemacht werden zwischen den Ehrenamtlichen mit Aufwandsentschädigung.

Ich wiederhole: Ehrenamtlich Tätige, die für ihren Aufwand eine Entschädigung erhalten – auch pauschal - sollen auch nach unseren Vorstellungen nicht der Sozialversicherungspflicht und auch nicht der Steuerpflicht unterliegen.

Der Antrag Bayerns, den Sie von der CDU-Landtagsfraktion nun auch von Schleswig-Holstein im Bundesrat unterstützt haben wollen, erreicht aber genau dies nicht. Deshalb können wir ihm auch nicht zustimmen.

Lassen Sie uns bitte zunächst einmal einen Blick auf den Begriff Ehrenamt werfen. Ehrenamt ist nach der Definition des Dudens eine freiwillige und unbezahlte Tätigkeit.

Dies trifft auch für die überwältigende Mehrheit der 15 Millionen Ehrenamtler zu. Sie bekommen gar nichts.

Dann gibt es diejenigen, die ein kleines Entgelt zur Abdeckung ihres Aufwandes erhalten. Diese sollen auch noch in diesem Sinne betrachtet werden.

Aber was, meine Damen und Herren, machen wir denn mit all denen, die eben auch im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung in Schleswig Holstein, bei Krankenkassen oder anderen Interessenverbänden und in Vorständen sehr viel höhere Beträge als Aufwandsentschädigung für ihr – immer noch Ehrenamt genanntes – Engagement erhalten?

So etwas gibt es, und das muss natürlich ehrlich mit betrachtet werden. Da gibt es 4- und 5-stellige monatliche  Aufwandsentschädigungen, die dann doch zumindest die Frage aufwerfen, ob es sich hierbei noch um ein Ehrenamt im Sinne nicht bezahlter Tätigkeit zum Wohle der Allgemeinheit handelt.

Wohl bemerkt und ich betone ausdrücklich: Die Steuerpflichtigkeit und die Sozialversicherungspflicht all der vielen Ehrenamtler und Ehrenamtlerinnen im Sport, in der Kommunalpolitik, der Feuerwehr etc., die von ihrer Höhe her wirklich den Aufwand ausgleichen, halten wir für falsch. Für diejenigen, die jetzt von aktueller Rechtsprechung betroffen sind, muss mit geeigneten Mitteln eine Lösung gefunden werden.

Aber der von ihnen unterstütze Bayern-Antrag erreicht genau dies eben nicht.

Meine Damen und Herren,

der Deutsche Bundestag hat eine Enquetekommission eingesetzt, die sich mit dem Thema Ehrenamt umfassend beschäftigt. Hier wird die Frage, wie in Zukunft die Bürgergesellschaft entwickelt werden kann, sehr viel umfassender diskutiert und hier auch soll geklärt werden, wie wir unser Verhältnis zum Ehrenamt, zu einer Bürgergesellschaft neu definieren. Und da gehört dann auch mit die Frage hinein, die Bayern aufgeworfen hat. Zu Recht aufgeworfen hat - dann aber kurzatmig durch eine Veränderung von Freibeträgen beantworten will. Der Auftrag der Enquete-Kommission hingegen ist umfassend.

Es liegt in unser aller Interesse, darüber nachzudenken und nach neuen Kriterien zu suchen, wie eine moderne Auffassung im Bezug auf das Ehrenamt aussehen kann. Denn offensichtlich haben wir es mit einem Bedeutungswandel, einem Paradigmenwechsel in diesem Bereich zu tun, den wir noch nicht voll verarbeitet haben. Viele Menschen verstehen sich, auch wenn sie eine hohe Aufwandsentschädigung bekommen, immer noch als Ehrenamtliche. Ich denke, dieses Problem des Bedeutungswandels ist nicht einfach dadurch zu lösen, dass man sich dem doch eher populistischen – wenn auch in seinem Grundanliegen nachvollziehbaren – Antrag der Bayern anschließt. Die Enquete-Kommission ist deshalb der richtige Ort, um darüber nachzudenken, wie ein modernes Ehrenamt in einer sich wandelnden Bürgergesellschaft aussehen soll und wir dann die Förderung angesichts des angesprochenen Bedeutungswandels ausgestaltet werden kann. Das bedeutet erhebliche Anstrengungen. Es ist aber auch der einzige Weg, um dem unbestrittenen Stellenwert ehrenamtlicher Betätigung in unserer Gesellschaft langfristig gerecht zu werden.

Es reicht nicht, hier jetzt zu versuchen, durch Anhängen an den Bayerischen Antrag ein kleines Teil des Problems vielleicht zu lösen, wohl wissend, dass die gesamte Problematik damit überhaupt nicht erfasst wird, ja, eher noch neue, zum Teil auch größere Probleme und neue Fragen aufgeworfen werden.

Lassen Sie mich am Rande erwähnen, dass eine Sozialversicherungspflicht ehrenamtlicher Tätigkeiten auch Nachteile hat, die es zu bedenken gilt: Der Sozialversicherung entfallen Beiträge in noch nicht zu ermittelnder Höhe, dem Finanzamt entsprechend.

Für einen Teil der Betroffenen würden entgegen ihrem Willen zukünftig keine Beiträge zur Sozialversicherungspflicht mehr entrichtet. Rente und Krankengeld fielen entsprechend geringer aus. Erhebliche Probleme gäbe es bei der Freistellung von der Beitragspflicht des im Wege der Aufwandsentschädigung mit geleisteten Ersatzes eines Verdienstausfalles. Viertens: Eine Öffnung der Regelung zur geringfügigen Beschäftigung lässt erwarten, dass die Diskussion um weitere Öffnungen der Regelung für geringfügig Beschäftigte erfolgt. Aber das kann ja von ihnen durchaus auch politisch beabsichtigt sein.

Ich fasse zusammen:

Die SPD-Fraktion hat ein Interesse daran, dass die vielen ehrenamtlich Tätigen, die wirklich Beträge ausschließlich zur Befriedigung des mit ihrer Tätigkeit entstehenden Aufwandes enthalten, helfen.

  1. Dies wird durch den Antrag der Bayerischen Landesregierung aber nicht erreicht. Er lässt wesentliche Dinge unberücksichtigt und würde im Falle eines entsprechenden Beschlusses neue Fragen und Unsicherheiten auslösen.
  2. Deshalb müsste Ihr Antrag ,der ausschließlich und undifferenziert sich an die Bayern-Initiative anhängt, abgelehnt werden.

Wegen der großen Bedeutung, die die in dem Antrag angesprochenen Fragen aber auch für die Millionen ehrenamtlich Tätigen in Schleswig-Holstein haben, wollen wir den Antrag überweisen an den Innen- und Rechtsausschuss sowie an den Sozialausschuss, damit hier geprüft werden kann, welche Regelungen vielleicht auch schon auf der Länderebene getroffen werden können bzw. welche Initiativen in Richtung Bundesrat sinnvoll sind, um zu einer befriedigenden Lösung zu kommen.

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