22.02.2002

LANDTAGSREDE: Hilfsprogramme sind schon vorhanden

Es ist noch kein Jahr her, dass wir uns mit einem Antrag der CDU zum gleichen Thema beschäftigt haben. Damals wurde Ihnen, Herr Lehnert, schon von den Rednern aller Fraktionen berichtet, in welch umfassender Weise Opferschutz in der Gesetzgebung, in der Rechtspflege und in ehrenamtlichen Hilfen entwickelt ist. Die für mich wichtigste Feststellung der damaligen Debatte war:

Die wesentlichen Probleme des Opferschutzes sind nicht fehlende rechtliche Voraussetzungen oder Hilfen. Das Problem ist, dass nur 12% der Bevölkerung von solchen Hilfen wissen und es große Hindernisse gibt, diese Informationen an die Betroffenen heranzubringen.

Natürlich begrüßen wir mit Ihnen die Arbeit zahlreicher freier Träger und Ehrenamtlicher, die Opfern von Straftaten Hilfen gewähren. Ich füge hinzu: Wir wären mit dem Opferschutz und der Opferhilfe heute nicht so weit, wenn nicht der Weiße Ring vor 25 Jahren gegründet worden wäre. Er hat das Thema Opferschutz in das öffentliche Interesse gebracht. Die ehrenamtlich hier und in anderen Organisationen Tätigen sorgen dafür, dass Opfer seitdem zunehmend materielle und Psychologische Hilfen erhalten. Dafür sei ihnen an dieser Stelle ausdrücklich gedankt.

Aber dann kommen Sie im Antrag wieder mit der Forderung, die Landesregierung solle den Schutz und die Hilfe für Opfer zukünftig stärker fördern. Sie vermitteln so den Eindruck, als sei hier in der Vergangenheit nichts geschehen. Also, Herr Lehnert, so geht das natürlich nicht. Ich wundere mich darüber, dass offensichtlich aus der Beratung Ihres letzten Antrages nicht viel bei Ihnen in Erinnerung geblieben ist.

Ich will Ihnen deshalb in Erinnerung rufen:

  1. Der Opferschutz ist seit langer Zeit Arbeitsschwerpunkt der Landesregierung. Dies bleibt auch so.
  2. In den vier Landgerichtsbezirken wurde ein Prozessbegleitprogramm für Kinder etabliert. Kindliche Zeugen erhalten so Sicherheit und Stabilität.
  3. Die Gerichte wurden mit zeugen- und besonders kindgerechten Vernehmungsräumen ausgestattet.
  4. Frauen und Kindern als Gewaltopfern stehen flächendeckend Frauenberatungsstellen, Frauennotrufgruppen, Frauenhäuser und Kinderschutzzentren zur Verfügung.
  5. Das Kooperations- und Interventionskonzept entwickelt zur Zeit die Zusammenarbeit von Kommunen, Polizei, Justiz und Beratungsstellen, um sie in einem landesweiten Opferschutz zu vernetzen.
  6. Und – last but not least: Die Beratungsstelle Contra für Opfer von Frauenhandel leistet wertvolle Arbeit.

 

Auch auf Bundesebene hat es zahlreiche gesetzliche Weiterentwicklungen gegeben. Opfer von Straftaten haben nun auch Zugriff auf Geld, das Straftäter für Vermarktung ihrer Taten in Medien erhalten. Durch das wichtige Zeugenschutzgesetz kann per Videoaufzeichnung die Wiederholung von Zeugenvernehmungen und die damit verbundene Konfrontation mit dem Täter vermieden werden. Hinzu kommt die Möglichkeit des Adhäsionsverfahrens und für Opfer bestimmter Straftaten die Beiordnung eines Rechtsanwaltes auf Staatskosten.

Also: Hilfsprogramme und rechtlicher Rahmen sind vorhanden. Aber die entscheidende Frage ist: Wie gelingt es, die Opfer von Straftaten mehr in die Wahrnehmung und Verantwortung unserer Gesellschaft zu führen? Wie erreichen wir, dass Hilfen bei mehr Opfern überhaupt bekannt und wahrgenommen werden?

Ihr Antrag fordert dann im einzig substanziellen Teil, eine Landesstiftung zu gründen, die Opfern eine respektvolle Unterstützung gewährt. Ob eine Stiftung notwendig ist, kann im Ausschuss erörtert werden. Aber Sie müssen den Organisationen, die jetzt diese Mittel für ihre Arbeit zur Verfügung haben, erklären, warum statt ihrer diese Mittel in Zukunft eine Stiftung erhalten soll.

Grundsätzlich unterstützen wir natürlich die hinter Ihrem Antrag erkennbaren Forderungen des Weißen Ringes:

  1. Verhängte Geldstrafen sollen nicht einfach im Staatssäckel versickern – was sie heute auch schon nicht tun –, sondern sollen den Opfern von Straftaten zu Gute kommen.
  2. Aus dem gleichen Topf sollten auch Präventionsprogramme gefördert werden, um Opferwerdung möglichst weitgehend zu verhindern.
  3. Die Möglichkeiten des Adhäsionsverfahrens in Strafverfahren, d.h. die Möglichkeit zivilrechtlicher Ansprüche der Opfer in Strafverfahren durchzusetzen, ohne ein separates Verfahren vor einem Zivilgericht durchfechten zu müssen, muss mehr Anwendung an den Gerichten finden.

Der Antrag wird dann wohl in den Ausschuss gehen, das machen wir auch mit. Vielleicht ist dieses Mal der Erkenntnisgewinn für die Antragsteller etwas größer als beim letzten Mal.

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