25.09.2003

LANDTAGSREDE: Ein Antidiskriminierungsgesetz ist überfällig

Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/die Grünen haben diesen Bericht beantragt und wollten eigentlich schon zur Juni-Sitzung wissen, wie weit die EU-Richtlinie zur Schaffung eines Antidiskriminierungsgesetzes in bundesdeutsches Recht umgesetzt ist. Ich gebe zu: Ich hatte die Hoffnung, dass durch die zweimalige Verschiebung dieser Aussprache die Bilanz der Umsetzung auf Bundesebene etwas positiver ausfallen könnte, als die Ministerin dies in ihrem Bericht beschrieben hat. Das ist aber leider nicht der Fall.

Das Gesetz befindet sich, wie man so sagt, immer noch in der Beratung, weder der erste, noch die beiden folgenden Teile sind umgesetzt. Und das ist wirklich nicht gut so. Auch wenn Deutschland bei der Umsetzung leider in schlechter Gesellschaft mit vielen anderen europäischen Ländern ist, kann das kein Grund sein, diese überfällige Gesetzgebung auch bei uns noch weiter zu vertagen.

Und auch das Argument, ein großzügiges Aufnehmen von Diskriminierungstatbeständen könne zu einer Klagewelle führen, kann eigentlich nicht ernsthaft akzeptiert werden. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Gerade dieses Argument zeigt, dass unsere Gesellschaft immer noch auf einem subtilen Geflecht von Diskriminierungen in unterschiedlichsten Bereichen aufgebaut ist, dass Freiheit noch lange nicht die Freiheit des anders Denkenden, Lebenden, Liebenden, Ausgestatteten ist.

Für meine Fraktion sage ich: Wir wollen, dass alle drei Richtlinien des Europäischen Rates zur Schaffung eines bundesdeutschen Antidiskriminierungsgesetzes möglichst zügig in Bundesdeutsches Recht umgesetzt werden, und zwar mit den Merkmalen

  • Rasse oder ethnische Herkunft,
  • Beschäftigung und Beruf und
  • Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Beruf.

 

Und wir wollen, dass dieses Gesetz auch ein ausdrückliches Benachteiligungsverbot für die Merkmale der sexuellen Identität und Orientierung enthält. Wir haben in unserem Berichtsantrag explizit hiernach gefragt. Dies deshalb, weil die Richtlinie 2000/43/EG zwar nicht ausdrücklich vorschreibt, dass auch diese Diskriminierungstatbestände im Gesetz zu berücksichtigen sind, aber gleichwohl die Möglichkeit öffnet, im Rahmen nationalen Rechts Vorschriften aufzunehmen, die z. B. Diskriminierungen der sexuellen Identität und Orientierung mit erfassen.

Die Position meiner Fraktion ist klar:

  1. Das ADG muss ein ausdrückliches Benachteiligungsverbot enthalten.
  2. Es sollte für alle Gruppen gelten, die von Diskriminierung bedroht sind, eben auch für Lesben, Schwule, sexuell anders Orientierte.
  3. Bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot sollen die Betroffenen Anspruch auf Schadensersatz erhalten.
  4. Viele verzichten auf die Wahrnehmung ihrer Rechte, weil sie sich einem Gerichtsverfahren nicht gewachsen fühlen. Daher sollte ein Verbandsklagerecht eingebunden sein.

 

Meine Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass unsere Landesregierung sich in ihrer Stellungnahme dafür ausspricht, möglichst umfassend ein Diskriminierungsverbot in das Gesetz einzuarbeiten, damit auch ausdrücklich das Merkmal der sexuellen Identität und Orientierung Berücksichtigung findet.

Dass das geht - und dass die Besorgnisse, ein zu weit gefasstes Spektrum an Merkmalen, im Besonderen aus dem Bereich der sexuellen Orientierung, könne zu einer Prozesslawine an den Gerichten anwachsen, nicht zwingend sind - zeigt ein Blick ins Ausland: Als erstes Land in Europa verabschiedete Norwegen bereits 1981 ein Gesetz gegen die Diskriminierung von Homosexuellen. Verboten sind Verunglimpfungen von Personen oder einer Gruppe von Personen aufgrund deren "homosexueller Neigung, Lebensform oder Orientierung". Antidiskriminierungsgesetze bestehen auch in Dänemark und Schweden. In Frankreich untersagt ein Gesetz die Diskriminierung von Schwulen und Lesben im Berufs- und Geschäftsleben. In den Niederlanden eröffnet ein Gleichstellungsgesetz Schwulen und Lesben ebenso wie anderen Minderheiten den Klageweg gegen Benachteiligungen. Also: Es geht doch!

Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität oder Orientierung sind an der Tagesordnung. Und all diejenigen, die glauben, dass die gesellschaftliche Wirklichkeit und Toleranz sich so weit entwickelt hat, dass besonderer Schutz und Maßnahmen in diesem Bereich nicht mehr erforderlich seien, verkennen die gesellschaftliche Wirklichkeit.

Damit will ich durchaus nicht außer acht lassen, dass es Fortschritte gegeben hat. Lesben und Schwule haben viel an gesellschaftlicher Emanzipation erreicht. Das gesellschaftliche Klima hat sich deutlich verbessert. Immer mehr Lesben und Schwule leben selbstbewusst und offen. Gleiche Rechte sind aber noch nicht durchgesetzt. Ein Drittel der Deutschen befürwortet repressive Maßnahmen, z. B. Berufsverbote für lesbische Lehrerinnen und schwule Lehrer, über 10 Prozent meinen immer noch, Homosexualität gehöre verboten und Schwule sollten kastriert werden. Auch im Alltag erfahren Lesben und Schwule daher Anfeindungen. 80 Prozent der Schwulen berichten nach einer an der Universität München entstandenen Studie, dass sie am Arbeitsplatz bereits wegen ihrer Homosexualität Diskriminierung erfahren haben: Mobbing, Anmache, Übergehen bei der Beförderung bis hin zu offener Gewalt. Dem setzen wir die Forderung nach einem Antidiskriminierungsgesetz (ADG) und der Aufnahme des Merkmals sexuelle Orientierung entgegen und setzen darauf, dass das erforderliche auf Bundesebene gemacht wird.

Abschließend bleibt die Frage, was mit dem Bericht parlamentarisch geschehen soll: Wir beantragen, ihn zur abschließenden Beratung in den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen.

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