10.12.2003

LANDTAGSREDE: Drogenkranke gehören in Behandlung, Drogendealer hinter Schloss und Riegel

Dem Antrag zu diesem Bericht war eine zweitägige Anhörung des Sozialausschusses zum Thema "Neue Wege in der Drogenpolitik" vorausgegangen. Der Bericht macht deutlich: Die Ergebnisse und Anregungen dieser Anhörung finden in der Drogenpolitik der Landesregierung weitgehend ihre Entsprechung. Ihre Schwerpunkte und ihre Ausrichtung werden durch die Praxis bestätigt.

Die Drogenpolitik hat sich in den vergangenen Jahren positiv, effektiv und an den veränderten Problemlagen und Erkenntnissen weiterentwickelt. Die vier Säulen der Drogenpolitik haben sich als Grundkonzept bewährt. Diese sind

  1. frühzeitig Suchtprobleme zu erkennen und anzusprechen;
  2. rechtzeitig qualifizierte Hilfen für Suchtgefährdete und Suchtkranke anzubieten;
  3. Überlebenshilfen auszubauen;
  4. das Angebot an Suchtmitteln einzuschränken, kriminellen Drogenhandel konsequent zu bekämpfen.

 

Doch zeigt die gesellschaftliche Wirklichkeit leider auch: Trotz aller Bemühungen ist das Problem des Konsums illegaler wie legaler Drogen in den letzten Jahren weiter angewachsen. Eine Lösung – so muss wohl einigermaßen ernüchtert festgestellt werden – ist überhaupt nicht in Sicht. Vielmehr ist es so, dass Drogenkonsum – illegal oder legal, wenn diese Trennung denn überhaupt sinnvoll ist – ein Phänomen in unserer Gesellschaft ist, auf das wir uns auf lange Zeit einstellen müssen.

Wir wissen: Drogenabhängigkeit ist in ihren Ursachen vielfältig und differenziert. Oftmals beginnt die Geschichte der Sucht bereits in der frühen Kindheit. Negative Erfahrungen und Einflüsse der unmittelbaren Umgebung können Ursache dafür sein, dass ein Ausweichen in Suchtverhaltensweisen dem Betroffenen als einzig mögliche Konsequenz erscheinen. Deshalb ist Prävention eine so wichtige Säule der Drogenpolitik, deshalb legt die Landesregierung zu Recht in ihrem Bericht auch einen so großen Wert auf diesen Bereich. Denn erstens Vorbeugen ist besser als Heilen. Es können viele Schäden für den einzelnen und die Gesellschaft als ganzes von vornherein abgewendet werden, wenn ein gesundheitsschädlicher Konsum von Suchtmitteln - seien sie nun legal oder illegal - erst gar nicht eintritt. Je früher die Prävention den Menschen erreicht, desto nachhaltiger sind die Effekte. Eine besondere Zielgruppe für die Prävention sind deshalb junge Menschen.

Dass die Landesregierung in diesem Bereich einen deutlichen Schwerpunkt setzt und auch die häufig verharmlosende Trennung von illegalen und legalen Drogen in Frage stellt, begrüßen wir. Dazu gehört auch die von der Landesregierung eingeleitete Präventionsinitiative "Nicht rauchen – tief durchatmen" und der Aktionsplan Alkohol in Schleswig-Holstein.

Zweitens: Suchtkranke haben Anspruch auf eine qualifizierte Behandlung. Die Behandlung von Suchterkrankungen bildet die zweite Säule der Drogen- und Suchtpolitik. Wie bei der Prävention ist es auch hier wichtig, das Behandlungsangebot möglichst genau auf den suchtkranken Menschen und seine spezielle Lebenslage abzustimmen. Dringend erforderlich ist es, das zeigt der Bericht wie die Anhörung, dass die Krankenkassen sich hier mehr in die Pflicht nehmen und zu einer erweiterten Kostenübernahme z. B. bei der psychosozialen Betreuung im Rahmen von Substitutionsprogrammen kommen.

Drittens: Nur wer seine Sucht überlebt, kann aus ihr aussteigen. Das Angebot von Überlebenshilfen bildet eine eigenständige Säule der Drogen- und Suchtpolitik. Es richtet sich an schwerstabhängige Menschen, deren Überleben es zunächst zu sichern gilt. Diese Suchtkranken sind oftmals erst dann in der Lage, den Weg einer Therapie einzuschlagen, wenn sie sich durch die Nutzung von Überlebenshilfen stabilisiert haben. Erfreulich ist, dass sich bundesweit, aber auch in Schleswig-Holstein, der rückläufige Trend bei den Todesfällen infolge des Konsums illegaler Drogen fortgesetzt hat.

Viertens: Die Verfügbarkeit von Suchtmitteln muss eingeschränkt werden. Strafrechtliche Maßnahmen und polizeiliche Aktivitäten gegenüber den organisierten Anbietern illegaler Drogen müssen greifen, denn das Ausmaß an Suchterkrankungen hängt auch von der Verfügbarkeit der Suchtmittel ab.

Kurz gesagt: Drogenkranke gehören in die Behandlung, Drogendealer gehören hinter Schloss und Riegel. Angebotsreduzierung und repressive Maßnahmen bilden deshalb ebenfalls eine unverzichtbare Säule einer ausgewogenen Drogen- und Suchtpolitik.

Hier sei auch einmal ausdrücklich der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden gedankt, die einen wichtigen Beitrag leisten und in vielen Bereichen der Drogenarbeit im Rahmen von vernetzten Systemen beteiligt sind.

Der Bericht zeigt auch: Ein Hauptaugenmerk gehört auf die Bekämpfung der so genannten "Alltagssüchte".

Die Abhängigkeit von Nikotin, Alkohol und Medikamenten hat ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen. Jedes Jahr sterben in Deutschland über 40.000 Menschen infolge ihres Alkoholkonsums, über 50.000 alkoholkranke Menschen werden in Fachkliniken und Suchtbehandlungseinrichtungen behandelt, über 1,2 Mio. Menschen gelten als alkoholabhängig . Unter einer Medikamentenabhängigkeit leiden in Deutschland ebenfalls ca. 1,2 Mio. Menschen.

Besonders besorgniserregend ist dabei die zunehmende Konsumbereitschaft von Alkohol- und Tabakprodukten bei Kindern und Jugendlichen. Die Einführung einer spürbaren Steuer auf Alkopop-Getränke, die Erhöhung der Tabaksteuer und ein konsequentes Werbeverbot sind nach meiner Meinung wichtige Maßnahmen, die die bestehenden Programme der Landesregierung für Kinder und Jugendliche begleiten sollten.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf das Thema einer auf geschlechtsspezifisches Suchtverhalten abgestimmte Drogenpolitik eingehen. Die Anhörung hat ja deutlich gemacht, dass bei der Inanspruchnahme von Angeboten der Suchtkrankenhilfe zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen bestehen.

Die im Bericht von der Landesregierung hierzu erläuterten Ansätze bestätigen, dass diesem Aspekt bereits in der Vergangenheit entsprechende Aufmerksamkeit geschenkt wurde und dass die LSSH und natürlich auch Donna Clara als spezielle Frauen-Suchtberatungs- und Behandlungsstelle hier an einer Verbesserung der Beratungsangebote und -bedingungen arbeiten. Trotzdem sind wir der Auffassung, dass dieser Bereich auch in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit benötigt.

Es fehlt noch ein ausreichend entwickelter, die geschlechtsspezifischen Bedingungen einbeziehender Ansatz in der Drogenpolitik. Die vom Landesarbeitskreis „Frau und Sucht“ bei Donna Clara in Arbeit befindliche Auswertung der Erhebung zur Umsetzung der Leitlinien und Bestandsaufnahme der aktuellen Situation geschlechtsspezifischer Angebote kann eine Grundlage für die weitere Beratung sein.

Hiermit sollten wir uns im Sozialausschuss vertiefend befassen.

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