26.05.2004

LANDTAGSREDE: Wir setzen auf Vorbeugung und Hilfe

Gemeinsam mit der Fraktion von Bündnis90/Die Grünen und den Abgeordneten des SSW legen wir heute einen Antrag vor, in dem die Fortentwicklung der Drogenpolitik in Schleswig-Holstein beschrieben wird, wie wir sie für erforderlich halten.

Sucht- und Drogenpolitik nimmt schon seit der Regierungsübernahme durch die SPD 1988 eine wichtige Rolle ein. Damals war dieser Politikbereich noch vorwiegend restriktiv angelegt und stark strafrechtlich geprägt. Die SPD-Regierungen und seit 1996 die rot-grünen Regierungen haben seitdem die schleswig-holsteinische Suchthilfelandschaft stark verändert. Und wir sind in vielen Bereichen dabei an der Spitze der Diskussion um eine fortschrittliche Drogenpolitik in Deutschland gewesen. Das wird anerkannt und ist ein Verdienst unserer jetzt ausgeschiedenen Ministerin Heide Moser.

Auch in Zukunft setzen wir in der Drogenpolitik auf ein differenziertes Angebot von Vorbeugung und Hilfen. Wir sagen: Suchtvorbeugung muss auf Zielgruppen ausgerichtet und kontinuierlich angelegt werden. Sie muss illegale wie legale Drogen gleichermaßen erfassen. Sie muss als  Gemeinschaftsaufgabe in Familien und Schulen, in der Jugend-, Sozial-, Alten- und Gesundheitshilfe verankert werden.

Wir wollen ein geschärftes Bewusstsein und mehr Verantwortung aller im Umgang mit Alkohol und Nikotin und suchen hierzu einen breiten Konsens.

Wir halten an einer an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierten, vorurteilsfreien Politik gegen den Missbrauch illegaler Drogen fest und werden leicht zugängliche Hilfsangebote für Drogenabhängige weiter ausbauen. Unsere Politik orientiert sich an den Hilfestellungen für Suchtkranke einerseits und an dem klaren Vorgehen gegen organisierten Drogenhandel auf der anderen Seite.

Einen bedeutenden Stellenwert hat die präventive Arbeit. Schleswig-Holstein war und ist wegweisend bei der Einführung (und Finanzierung) der psychosozialen Betreuung. Wir haben Sucht zu einem wichtigen Thema in den Schulen gemacht.

Anfang 2002 hat der Sozialausschuss in einer Anhörung 28 Stellungnahmen entgegengenommen. Die Ergebnisse der Anhörung bildeten auch die Grundlage für einen weiteren Bericht der Landesregierung und schließlich für den vorliegenden Antrag.

Die im Antrag definierten Handlungsanweisungen für die Schleswig-Holsteinische Drogenpolitik basieren auf vier Grundsätzen:

  • Vorbeugen ist besser als heilen. Deshalb: frühzeitig Suchtprobleme erkennen und ansprechen;
  • Sucht ist eine Krankheit. Deshalb: Suchtkranke haben Anspruch auf eine qualifizierte Behandlung!
  • Nur wer seine Sucht überlebt, kann aus ihr aussteigen! Deshalb: Überlebenshilfen ausbauen, Zugangshürden abbauen;
  • Drogenkranke gehören in die Behandlung, aber Drogendealer gehören hinter Gitter.

 

Ich will hier nicht die 13 Punkte unseres Antrages vortragen, lesen können wir ja alle. Ich will nur wenige Punkte hervorheben, weil sie von besonderer Bedeutung sind. Über allem steht der Grundsatz: Sucht ist eine behandlungsbedürftige Krankheit. Suchtprävention und Antidrogenpolitik müssen sich deshalb grundsätzlich am Suchtverhalten orientieren. Das Suchtverhalten an sich ist das zentrale Problem bei Suchterkrankungen. Welche Substanz konsumiert wird, ist weniger bedeutend.

Primäre Prävention soll als ein Schwerpunkt weiter ausgebaut werden mit dem Ziel, das Selbstbewusstsein von Kindern und Jugendlichen so zu stärken, dass sie nein zu Drogen sagen können. Männer und Frauen haben aufgrund ihrer unterschiedlichen Biografien und biologischen Voraussetzungen Anspruch darauf, dass es Angebote gibt, die dies aufgreifen. Migrantinnen und Migranten sollen als Zielgruppe speziell angesprochen werden ­ sowohl bei ambulanten als auch bei stationären Angeboten.

Und: Vor Ort muss eine Vernetzung aller relevanten Institutionen stattfinden; hier ist vor allem die Jugendhilfe zu nennen, aber auch alle Institutionen, die dem Gesundheitsschutz vor allem von Kindern dienen.

Meine Damen und Herren, wir legen heute einen Antrag vor, der die Ergebnisse der umfangreichen Beratungen des Landtages auch unter Beteiligung der Praktiker zukunftsweisend bündelt. Nun ist heute von der CDU ein Änderungsantrag auf den Tisch gekommen, den wir nicht ignorieren wollen. Ich will auch sagen: Vieles, was da aufgeführt wird, ist gut, deckt sich mit unserer Politik. Natürlich nicht alles, Frau Tengler, aber allein die ausdrückliche Feststellung, dass Sucht eine Krankheit ist, ist ein Fortschritt, weil diese Feststellung Konsequenzen hat. Ich bin nicht sicher, ob Ihnen das wirklich umfassend klar war, als Sie das aufgeschrieben haben, Frau Tengler. Aber wenn ja ­ im Interesse der Sache um so besser!

Interessant ist auch Ihre Feststellung, dass der straffreie Besitz von Mindestmengen illegaler Betäubungsmittel bundeseinheitlich definiert und festgelegt werden soll. Das wollen wir gerne mit Ihnen diskutieren. Ihren Hinweis hingegen, die begrenzten Mittel sollten nicht ständig in neuen Modellversuchen und Neueinrichtungen versanden, ist da weniger erfreulich. Wenn wir in Schleswig- Holstein in den vergangenen 15 Jahren diesem Grundsatz gefolgt wären, wäre es nicht vorangegangen. Wir brauchen Modellprojekte, wenn wir Weiterentwicklung wollen. Außerdem finde ich Ihre Aussage gegenüber all den Praktikern im Lande, die sich bei der Weiterentwicklung der Drogenhilfe auch auf neuen, oft beschwerlichen Pfaden bewegen, ziemlich ignorant.

Also ­ angesichts Ihres Antrages sind wir bereit, auf eine Abstimmung unseres Antrages heute zu verzichten und überweisen beide Anträge in den Sozialausschuss. Vielleicht gelingt da ja etwas Gemeinsames.

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