16.06.2005

LANDTAGSREDE: Bäderregelung im Konsens mit Kirchen und Gewerkschaften anpassen

Die Fraktionen von SPD und CDU haben Ihnen einen Antrag zu zwei Bereichen des Ladenschlusses vorgelegt. Zum einen fordern wir darin die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Gesetzgebungskompetenz über den Ladenschluss auf die Länder übergeht. Zum zweiten definieren wir für eine Neuregelung der Bäderregelung, die im Jahr 2005 ausläuft, neue Eckwerte, welche die Situation der Gewerbetreibenden und der Gäste im Geltungsbereich dieser Regelung verbessern sollen.

Ich will zunächst auf den ersten Teil des Antrages eingehen, da wir natürlich nicht nur aus ordnungspolitischen Gesichtspunkten die Kompetenz auf Länderebene übertragen haben wollen, sondern weil wir damit auch einen Gestaltungswillen in diesem Bereich verbinden.

Das Ladenschlussgesetz hat seit 1956 unverändert unsere Lebenswirklichkeit mit geprägt. Die Öffnungszeiten von 5.00 Uhr bis 18.00 Uhr waren lange unangetastet, auch dann noch, als sich im europäischen Umfeld die Welt schon lange gravierend geändert hatte. Erst in den letzten Jahren unter einer rot-grünen Bundesregierung hat es dann mehrere Schritte gegeben, von den starren Regelungen des Ladenschlussgesetzes wegzukommen. So wurde zunächst die Öffnung Montags bis Freitags bis 20.00 Uhr, dann vor einem Jahr Samstags bis 20.00 Uhr ermöglicht.

Dieses waren Schritte in die richtiger Richtung. Unser Ziel ist es hingegen, darüber hinaus zu einer völligen Freigabe der Ladenöffnungszeiten zu kommen. Und eben deshalb soll der Bund die Kompetenzen zur Regelung dieser Frage auf die Länder übertragen. Dies fordern wir in unserem Antrag und sind dabei gestärkt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Juni 2004, das die Frage der Ladenschlusses ausdrücklich der konkurrierenden Gesetzgebung zugeordnet hat und damit dem Bund untersagt hat, hier zukünftig weitere Regelungen zu treffen. Die Kompetenz ist vielmehr umgehend auf die Länder zu übertragen. Dies wollen wir zügig umgesetzt wissen, damit wir – wie es viele, wenn nicht alle Bundesländer dann tun werden – zu einer weitgehenden Abschaffung von Ladenschlussvorgaben kommen.

Das Ladenschlussgesetz ist selbst ein Ladenhüter geworden und muss weg. Seine Funktion, für einheitliche Öffnungszeiten zu sorgen, hat es längst verloren – im Gegenteil: Diverse Ausnahmeregelungen sorgen für Wettbewerbsverzerrung. Die Regelungen aus dem Jahr 1956 passen nicht mehr in unsere gesellschaftliche Wirklichkeit, sie passen nicht mehr in den europäischen Kontext.

Auf Bahnhöfen und Flughäfen sind wegen der dort geltenden Sonderregelungen Kaufhäuser entstanden, die alles verkaufen, was Reisebedarf ist – auch Kühlschränke – wenn andere Geschäfte längst schließen müssen. Die Tankstellen sind zuverlässige Versorgungsquellen für all diejenigen, die länger oder später arbeiten müssen oder dürfen.

Und der Versuch, einem Bäcker zu erklären, warum er sein von ihm selbst gebackenes Brot nach 20.00 Uhr nicht mehr im eigenen Laden verkaufen darf, das gleiche Brot aber an der Tankstelle nebenan auch nachts noch angeboten werden darf, endet meist mit einem hilflosen Achselzucken.

Abschaffung des Ladenschlusses heißt nicht, dass die Geschäfte überall diese Regelung ausnutzen müssen. Sie können, aber müssen nicht. Und die Erfahrungen mit der bisherigen Regelung zeigen: Auch diese wird lange nicht überall ausgenutzt, vielerorts wird vor 20.00 Uhr geschlossen. Die individuelle Regelung vor Ort kann funktionieren und trägt den Bedürfnissen unter regionalen, saisonalen und Warengruppengesichtspunkten Rechnung.

Eine Frage nehmen wir in dieser Diskussion sehr ernst. Bei einer Liberalisierung muss auch weiter gewährleistet bleiben, dass die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bei der Ausgestaltung einer Ladenöffnungsregelung Beachtung finden. Wir sind aber der Auffassung, dass dies nicht durch ein Ladenschlussgesetz, sondern durch Arbeitszeitordnung, Arbeitsschutzgesetze, Tarifverträge oder durch Betriebsvereinbarungen geregelt werden kann und muss.

Zusammengefasst sage ich zu Punkt 1 unseres Antrages:

  1. Gesellschaftliche Veränderungen im Arbeitsleben, im Freizeitverhalten und zu viele Ausnahmeregelungen fordern eine neue Ausrichtung der Ladeöffnungsregelung.
  2. Änderungen in diesem Bereich können nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil nur nach Übertragung der Gesetzeskompetenz auf die Länder vorgenommen werden.
  3. Wir bitten daher die Landesregierung, entsprechende Initiativen im Bundesrat zu unterstützen, die Kompetenz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten auf die Länder zu übertragen.
  4. Wir wollen die Ladenöffnungszeiten Montags bis Samstag an 24 Std. /Tag grundsätzlich freigeben.
  5. Sonn- und Feiertage bleiben weiter geschützt. Hierzu haben wir ein modernes Gesetz in der letzten Wahlperiode verabschiedet.
  6. Die Bäderregelung hat sich bewährt und bleibt bestehen.

 

Und damit bin ich dann auch bei Punkt 2 unseres Antrages, dieser betrifft die Bäderregelung. Und ich will gleich am Anfang sagen, da wir ja auch die beiden Änderungsanträge von der FDP und Bündnis 90/die Grünen mitbehandeln: Diese beiden Anträge, die in der Sache ja vielleicht gut gemeint sind, sind letztlich schlecht gemacht und sogar schädlich, wenn nicht für die Zukunft der Bäderregelung sogar gefährlich, weshalb wir sie ablehnen werden.

Meine Fraktion ist der Auffassung, dass die Bäderregelung, die zu bestimmten Zeiten am Sonntag zum Verkauf von Waren des täglichen Bedarfes Gelegenheit gibt, sich bewährt hat und erhalten bleiben soll. Im Zusammenhang mit ihrem Auslaufen zum Ende dieses Jahres wollen wir, dass möglichst im Konsens mit Kirchen und Gewerkschaften eine Feinjustierung erfolgt, die gewährleistet, dass diese Regelung noch besser als in der Vergangenheit ihre Funktion erfüllen kann.

Dabei sage ich ganz deutlich, gerade weil ich vorher ausgeführt habe, dass wir die Ladenschließungszeiten für die Zeit von Montag bis Samstag liberalisieren wollen: Diese Liberalisierungsabsicht besteht nicht für den Sonntag. Und damit sind wir schon aus grundsätzlichen Erwägungen gegen die Initiative der FDP, die den Sonntag von allen Beschränkungen des Ladenschlusses frei machen will.

Wir haben immer gesagt – und damit stehen wir an der Seite der Kirchen und der Gewerkschaften, dass der Sonntag auch weiterhin ein Tag der Ruhe und Besinnung sein soll, ein Tag, der sich in seinem Charakter auch als Tag der Familien deutlich von den anderen Alltagen unterscheidet – nach dem Motto, das die evangelische Kirche in diesem Zusammenhang geprägt hat : ohne Sonntage gibt`s nur noch Werktage.

Darüber hinaus ist der Sonntag – das ist der zweite, wichtige Teil des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom Juni 2004 – ausdrücklich durch Artikel 139 des Grundgesetzes geschützt. Schon deshalb ist es wichtig, dass wir nicht wie „die FDP im Porzellanladen“ auf den Schutzregelungen des Sonntages herumtrampeln sondern uns bewusst sind, dass wir uns auf sehr dünnem Eis bewegen, wenn es darum geht., die bestehende Bäderregelung zu modifizieren und in einigen Punkten sinnvoll anzupassen.

Beide Anträge – der der FDP wie auch der von den GRÜNEN, die abweichend von unserem Antrag auch noch Teile der Innenstädte der Oberzentren mit einbeziehen wollen – sind verfassungsrechtlich bedenklich. Ich will Ihnen, da Sie ja Juristen sind in der FDP, hier nicht alle Gerichtsurteile zitieren, die sich sehr kritisch – um es aus taktischen Erwägungen vorsichtig zu formulieren – über die Bäderregelung geäußert haben. Ihre Anträge – im besonderen der der FDP – helfen uns bei dem Bemühen um eine konsensuale Lösung und verhaltene Ausweitung nicht, sie schaden vielmehr.

Lassen Sie mich ein wenig Grundsätzliches zur Bäderregelung sagen: Die Landesregierung hat auf der Basis des § 23 des Ladenschlussgesetzes eine Ausnahmegenehmigung erteilt, die in bestimmten, vom Tourismus geprägten Orten an bestimmten Zeiten des Jahres zu bestimmten Uhrzeiten den Verkauf von Gegenständen des täglichen Ge- und Verbrauchs gestattet.

Diese Regelung steht unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs und ist zeitlich befristet, eben für drei Jahre, jetzt auslaufend zum 31.12.2005. Weiter muss ein öffentliches Interesse, in diesem Fall ein Versorgungsinteresse, vorliegen. Die Orte bzw. Ortsteile, die von dieser Regelung betroffen sind, sind in einer Liste als Anhang zur Regelung abschließend aufgezählt.

Diese Regelung hat in der Vergangenheit auf der Basis eines Konsenses zwischen der Landesregierung, den Kirchen und den Gewerkschaften, aber auch den Interessenvertretungen aus Handel und Tourismus sehr gut funktioniert.

Warum soll jetzt eine Veränderung vorgenommen werden? Ein Grund – das ist uns allen klar – ist die in Mecklenburg-Vorpommern geltende Bäderregelung. Diese geht in einigen Punkten über die in Schleswig-Holstein hinaus und führt damit zu einer Wettbewerbsverzerrung im Besonderen im Bereich der Ostseebäder. So kann heute am Sonntag in Boltenhagen sich der Gast mit Waren des täglichen Bedarfes in Ruhe noch zu Zeiten versorgen, zu denen in Schleswig-Holstein die Bäderregeklung nicht greift. Das gilt für mehrere Wochen im Herbst und Winter, im Besonderen über die touristisch an Bedeutung gewonnene Weihnachtszeit, wie auch in den Abendstunden an Werktagen.

Wir wollen erreichen, dass im Konsens mit den zu beteiligenden gesellschaftlichen Gruppen die Bäderregelung angepasst wird. Die bisherige zeitliche Festlegung orientierte sich an den saisonalen Bedingungen, diese haben sich aber geändert. So sind auch in den Herbsttagen und über Weihnachten Gäste in den Kurorten, die sich mit Waren des täglichen Lebensbedarfs versorgen müssen. Das wollen wir anpassen.

Und in den Abendstunden an Werktagen sollen die Geschäfte die Möglichkeiten haben – die Möglichkeit, das heißt nicht, dass sie müssen! – bis 22.00 Uhr zu öffnen, um den veränderten Tagesabläufen von Urlaubern, die sich nicht nach den Ladenöffnungszeiten der herkömmlichen Art richten, Rechnung zu tragen. Dies, das ist zu betonen, ist allerdings eine Regelung, die natürlich nicht mit Bestimmungen und Gesetzen zum Schutz des Sonntags kollidiert.

Unsere konkreten Veränderungswünsche sehe sie in unserem Antrag, ich will das hier nicht wiederholen. Ich stelle aber noch einmal fest: Die bisherige Bäderregelung ist auf der Basis eines schmalen Konsenses aller Beteiligten, im Besonderen der Kirchen zustande gekommen. Bisher trägt dieser Konsens, es gilt, einzelne Erweiterungen, wie von uns vorgeschlagen in diesen Konsens einzubinden, ohne dass das dünne Eis, auf dem wir uns bewegen, bricht. Wie dünn das Eis ist, zeigen gerichtliche Auseinandersetzungen in Mecklenburg-Vorpommern, die die Bäderregelung insgesamt in Frage stellen. Ein Tipp: „Googeln“ Sie mal: „Bäderregelung – Gericht – Mecklenburg-Vorpommern“.

Unser Antrag gibt den Rahmen vor, in dem die Verhandlungen geführt werden sollten. Wer in Verhandlungen geht und eine einvernehmliche Regelung will, muss kompromissbereit sein. Deshalb rechnen wir damit, dass möglicherweise Modifizierungen an der einen oder anderen Stelle notwendig sind. Das ist nicht schlimm, so lange es dem Gesamtanliegen, die Bäderregelung an die veränderten Verhältnisse in den touristisch geprägten Orten anzupassen, noch gerecht wird. Und ob der eine oder andere Ort in die Liste mit aufgenommen wird, mag auch überprüft werden. Die Anträge von FDP und Grünen aber gehen uns entschieden zu weit, sie sind eher geeignet, die ganze Regelung zu kippen.

Ich stelle abschließend fest: der Antrag von SPD und CDU ist gut, richtungsweisend und sachgerecht, er ist der am besten geeignete, um eine weitere Liberalisierung des Landeschlusses und eine Ausgestaltung der bewährten Bäderregelung für die Zukunft auf den Weg zu bringen. Die Grünen sind mit ihrem Antrag weiter auf der Suche nach einer Position zwischen Festhalten an den alten Zöpfen des Ladenschlusses und der langsam aufkeimenden Erkenntnis, dass sie mit dieser Position abgekoppelt sind. Und bei der FDP vermissen wir schmerzlich den Weitblick und den Sachverstand von Frau Aschmoneit-Lücke.

Wir werden deshalb unserem Antrag zustimmen und die beiden Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und FDP ablehnen. Eine Überweisung in den Ausschuss ist nicht sachgerecht, weil wir sicherstellen wollen, dass die Regierung möglichst bald mit Gesprächen über die Bäderregelung mit den Gewerkschaften und der Kirche beginnt, damit rechtzeitig zum Jahresanfang 2006 die neue Regelung in Kraft treten kann.

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