16.12.2005

LANDTAGSREDE: „Rauchfreies Landeshaus“ ist zu wenig

In unserem Land hat jeder das Recht, seine Gewohnheiten und Angewohnheiten, ja Süchte, auszuleben. Auch das nennen wir Wahrung der Persönlichkeitsrechte. Aber die Freiheit, alles zu tun, was Einzelne ihrer Persönlichkeit und deren Entfaltung zurechnen, hat Grenzen, wo es Andere, ohne dass diese sich davor schützen können, in Mitleidenschaft zieht. Im Kern geht es bei dem heutigen Antrag um diesen Konflikt. Der Absicht, Nichtraucherinnen und Nichtraucher davor zu schützen, dass sie durch wenig rücksichtsvolles Verhalten der Raucher zu Mitrauchern werden und gesundheitliche Schäden erleiden, ist nicht ernsthaft zu widersprechen. Auch deshalb nicht, weil wir wissen, dass für viele Kinder und Jugendliche der frühe Kontakt mit der Zigarette der Einstieg in eine häufig lebenslange Suchtkarriere ist.

Die Diskussion über einen verbesserten Nichtraucherschutz wird bundes- und europaweit geführt. Auf dem Prüfstand steht aber mehr, nämlich die grundsätzliche Haltung, die unsere Gesellschaft zum Umgang mit Tabakkonsum einnimmt. Hier brauchen wir einen Paradigmenwechsel, der über die Befreiung des Landeshauses von blauem Dunst weit hinausgeht. Allein ein Rauchverbot im öffentlichen Raum, wie die Grünen es vorschlagen, wird unglaubwürdig bleiben, so lange andererseits der Bundesfinanzminister darüber klagt, dass durch die Erhöhung der Tabaksteuer der Nikotinkonsum sinkt – und seine Steuereinnahmen auch.

Widersprüchlich ist es auch, wenn einerseits die Gefahren des Rauchens wohlbekannt sind, trotzdem bei uns, anders als in vielen europäischen Ländern, das nahezu ungehemmte Werben für den Tabakkonsum erlaubt bleibt. Und wenn der Zugang zu Tabakwaren wie in keinem anderen europäischen Land erleichtert wird, indem, frei erreichbar für Kinder und Jugendliche, Zigarettenautomaten aufgestellt werden können, dann wird der Staat zum Dealer.

Alarmierend ist eine aktuelle Studie des deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg. Danach tötet das Passivrauchen jedes Jahr mehr als 3.300 Nichtraucher in Deutschland. Tabakrauch in Innenräumen ist danach keine Belästigung, sondern eine Gesundheitsgefährdung mit Todesfolge, erklären die Wissenschaftler. Es geht in dieser Diskussion weniger um Diskriminierung von Rauchern. Diese sollen selbst entscheiden, wie sie die Prognose für ihre Lebenserwartung programmieren: Es wird auch niemandem verboten, seine Gesundheit beim Bungee-Springen, Extremklettern oder Boxen zu gefährden. Es geht hier vielmehr um die Menschen, die nicht rauchen wollen und durch passives Mitrauchen praktisch dazu gezwungen werden.

Die EU hat mit einer Richtlinie u.a. dazu aufgefordert, rauchfreie öffentliche Räume in der gesamten EU zu schaffen. Länder, die für ihren fast kultartigen Umgang mit dem Rauchen bekannt sind - Irland, Italien, Frankreich -, sind hier bereits weit voraus. Selbst Rauchverbote in Bistros und Pubs sind dort akzeptiert, werden sogar beachtet.

Nun komme ich zu dem Vorschlag, den Sie gleich an den Anfang Ihres Grünen-Antrages stellen. Als allererstes fordern Sie, dass wir für den Schleswig-Holsteinischen Landtag das Rauchen verbieten, um Nichtraucher vor dem Mitgenuss von Nikotin zu schützen. Das klingt gut, kommt in der Öffentlichkeit gut an, ist aber, ehrlich gesagt, ziemlicher Unsinn. Zum einen haben wir als Parlament nicht die Aufgabe, zuerst für uns selbst zu sorgen, d.h. für die Nichtraucher im Parlament, sondern wir haben uns um die Gesundheit aller Menschen in Schleswig-Holstein zu kümmern.

Von daher wäre es schon absurd, wenn wir als allererstes in unserem eigenen Haus die Nichtraucher schützen, und uns bei anderen Orten mehr Zeit lassen. Wir sollten auf einen gewissen Gleichschritt bei den Maßnahmen achten. Zum Anderen: Die von Ihnen geforderte Regelung inklusive Raucherecken gibt es bereits. So heißt es in der Anweisung der Landtagsverwaltung zum Nichtraucherschutz vom März 2002: „Im Landtag ist der Schutz der NichtrauchrInnen vorrangig vor den Individualrechten der Raucher zu gewährleisten. In allen Fluren im Landeshaus bis auf die Flure im dritten Obergeschoss ist das Rauchen untersagt. Ebenso in der Lobby, dem Abgeordnetenfoyer, dem Bürgerfoyer, dem Besucherforum, dem Plenarsaal sowie in der Cafeteria. Andere Bereiche werden als Raucherbereiche ausgewiesen: Das sind die Eingangshalle des Landeshauses und die Havanna-Lounge.“

Wir wollen den Antrag, so ist es schon abgesprochen, in den Ausschuss überweisen, und ich bin sicher, dass wir eine angeregte, rauchfreie Diskussion haben werden.

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