01.06.2006

LANDTAGSREDE: Ein Zeitungsverlag ist keine Würstchenfabrik

Es sei aus dem Bericht nicht zu erkennen, wie die Situation der Printmedien im Lande unter Berücksichtigung des Auftrages aus Artikel 5 Grundgesetz zu bewerten sei, kritisiert Peter Eichstädt in seiner Rede. Er teilt nicht die Bewertung der IHK, dass es sich bei Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen zuerst einmal um Wirtschaftsunternehmen handelt, die Erträge erwirtschaften müssen, um zu überleben. Die Verlage hätten vielmehr ein hohes Maß an Verantwortung gegenüber der ganzen Gesellschaft. Doch die Meinungsvielfalt sei durch die faktische Monopolisierung in der Außenpluralität nicht mehr gegeben oder zumindest bedroht und auch durch Vorgänge wie die Ausgliederung bedeutender Ressorts im Inneren nicht mehr sichergestellt. Für seine Fraktion schlägt Eichstädt eine Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss vor.

Die Rede im Wortlaut: Im Jahr 2004 hat es in NRW eine ähnliche Anfrage zur Situation und Entwicklung der Printmedien gegeben. Die Antwort der dortigen Landesregierung umfasste 220 Seiten, enthielt umfängliche Bewertungen und befasste sich auch mit cross-medialen Aktivitäten. Der uns vorliegende Bericht kommt mit 10 Seiten neben einer Vielzahl von Anlagen aus, die aber mit wenigen Ausnahmen im Bericht nicht bewertet werden. Somit enthält sich der Bericht auch weitestgehend einer medienpolitischen Betrachtung.

Nun will ich nicht behaupten, dass es eine Frage des Umfangs ist, ob ein Bericht informativ und gut ist. Aber wenn die Landesregierung in ihrem Bericht gleich mehrfach sagt, dass sie über keine eigenen Erkenntnisse zur Situation der Printmedien verfügt und es auch nicht für opportun einstuft, dass sie sich diese besorgt, ist das ein wichtiger Ansatz für die heutige Diskussion.

Ich will mich zuerst mit der Frage beschäftigen, was eigentlich eine Landesregierung bzw. die Politik mit den Printmedien zu tun hat. Die Landesregierung bezieht sich in ihrem Bericht zutreffend auf Artikel 5 GG, der die Basis allen medienpolitischen Handelns darstellt. Sie kommt zu dem Schluss, dass dieser Artikel ausdrücklich die staatliche Verpflichtung einschließt, „die Gefahr von durch Pressekonzentration entstehenden Meinungs- und Informationsmonopolen abzuwehren“. Dieser Auftrag ist allgemein anerkannt. Es bleibt die Frage, wie eine Regierung dieser Verpflichtung nachkommen will, wenn sie, wie in diesem Bericht, gleichzeitig freimütig erklärt, dass sie bar jeder Kenntnis in dieser Frage ist und dass auch „keine fundierten Darstellungen oder Auswertungen Dritter vorliegen“.

Bleibt die Erkenntnis, dass es sich bei diesem Bericht um eine fleißige Datensammlung handelt, dass diese aber nicht erkennen lässt, wie die Situation der Printmedien im Lande unter Berücksichtigung des Auftrages aus Artikel 5 des Grundgesetzes möglicherweise zu bewerten ist.

Die Menschen im Lande sind in ihrem Informationsbedürfnis abhängig davon, was von den Vorgängen berichtet und damit öffentlich zugänglich gemacht wird. Das betrifft auch und besonders die Politik, damit sich die Bürgerinnen und Bürger ein Bild von politischen Entscheidungsprozessen und Entscheidungen machen können. Auch deshalb werden die Medien oft als „vierte Gewalt“ im Staat bezeichnet.

Wenn dem so ist und sie sich auch so empfinden, dann kommt den Medienmachern eine besondere Verantwortung zu. Denn was und wie berichtet wird, hat Einfluss auf alle Bereiche und stellt daher ein Stück Gesellschaftspolitik dar. Medien stehen nicht außerhalb der Kritik der Gesellschaft und ihrer staatlichen Organe. Sie sind mittendrin und sind damit auch Gegenstand von Politik.

Die SPD-Landtagsfraktion kann sich nicht der Meinung der IHK in dem Bericht der Landesregierung anschließen, dass es sich bei Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen ohne Einschränkung zuerst einmal um Wirtschaftsunternehmen handelt, die Erträge erwirtschaften müssen, um zu überleben. Es ist etwas anderes, ob man mit Brötchen handelt oder ob man Nachrichten verbreitet und dies oft aus einer Monopolstellung heraus.

Natürlich sind Zeitungsverlage keine Non-Profit-Unternehmen und müssen sich am Markt behaupten. Umso wichtiger ist aber die Transparenz für die Bürger und Bürgerinnen: Wer steckt hinter der Zeitung? Wie kommen die Artikel zustande? Welchen Zwängen und Einflussnahmen unterliegen die Redakteure? Oder, positiv gesehen, wie groß ist die Unabhängigkeit der Journalisten? Kommt der Artikel überhaupt aus der Redaktion dieses Zeitungshauses? Oder kommt er vielmehr von einer Event-Agentur? Oder aus einem Unternehmen mit primär wirtschaftlichen Interessen an der scheinbar journalistischen, positiven Erwähnung eines Produktes?

Praktisch haben wir fünf Verlage in Schleswig-Holstein, die sich den Markt teilen. Der SHZ im Norden, die KN und die LN im Osten, am Hamburger Rand das Hamburger Abendblatt und im Westen den Verlag Boyens mit der Dithmarscher Landeszeitung. Auf den ersten Blick kann man da von einer gewissen Vielfalt sprechen. Bei näherem Hinsehen gibt es diese Vielfalt nicht.

Zum einen gibt es eine scharfe Abgrenzung der Verbreitungsgebiete unter den Blättern, so dass ein Wettbewerb praktisch nicht stattfindet. Wir haben also regionale Monopole. Zum anderen ist der Springer-Verlag an den KN und damit auch an der Segeberger Zeitung und an den LN beteiligt. Das Hamburger Abendblatt ist eine alte Springer-Zeitung. Keine Springer-Beteiligung gibt es beim SHZ, der aber wiederum mit dem Verlag Boyens in Heide verbunden ist. Die vermeintliche Pressevielfalt im Kreis Pinneberg teilen sich Springer und der SHZ.

Auch die überregionalen Zeitungen können nicht mit in die Diskussion einbezogen werden, da sie keine Konkurrenz für die regionale Berichterstattung bedeuten. Eine Ausnahme macht BILD mit einer Regionalseite.

Die regionalen Monopolisten in den „Ein-Zeitungs-Kreisen“ können also schalten und walten, ohne auf Mitbewerber Rücksicht nehmen zu müssen. Das führt zum Abbau von Arbeitsplätzen in den Redaktionen oder, wie beim SHZ, zum Ausgliedern ganzer Redaktionen, etwa beim Sport. Eine Sport-Event-GmbH übernimmt dort die Berichterstattung mit weniger Redakteuren, niedrigeren Gehältern und ohne Tarifbindung. Wirtschaftlich wirkt sich das auf den Verlag positiv aus, zumal das neue Unternehmen sich auch seine Events selber schafft, um dann darüber zu berichten. Eine Verquickung von Nachricht und Werbung, die problematisch ist.

Wenn jetzt auch noch andere Redaktionsbereiche, wie die Nachrichtenredaktion, ausgegliedert würden, wäre der größte Zeitungsverlag im Lande ohne eine Vollredaktion im klassischen Sinne. Ob die neu gegründeten GmbHs noch Redaktionen im journalistischen Sinne sind, muss hier auch gefragt werden.

Konkurrenz fördert die Aktualität. Wo Monopole sind, ist Aktualität nicht zwingend. Mit dem drastischen Abbau von Stellen in den Redaktionen und dem verstärkten Einsatz von so genannten freien Mitarbeitern, sinkt auch die Qualität der Berichterstattung, da die Mitarbeiter oft über keine journalistische Ausbildung verfügen und aufgrund der Arbeitsverdichtung in den Redaktionen auch keine Zeit bleibt, das, was die Mitarbeiter abliefern, ordentlich zu redigieren.

Es ist aber nicht das Gleiche, ob ein Unternehmen Zeitung produziert oder Schmierseife. Zeitungen zu machen und über politische oder gesamtgesellschaftliche Ereignisse zu berichten, bedeutet für die Verlage ein hohes Maß an Verantwortung gegenüber der ganzen Gesellschaft. Das Weglassen einer Information ist eine Form der Manipulation. Aber wer merkt das schon, wenn keine Vergleichsmöglichkeit vorhanden ist?

Schleichwerbung in Form von vorgefertigten Artikeln kommt hinzu. Solche Beiträge nehmen einige Redaktionen gern, da sie sie kaum bearbeiten müssen. Nicht weil die Redakteurinnen und Redakteure faul sind, sie haben auf Grund der Personalsituation in den Redaktionen zu wenig Zeit.

Für die Gesamtbetrachtung wichtig sind aber auch die cross-medialen Aktivitäten der Zeitungsverlage in Schleswig-Holstein. So gibt es eine Medienkonzentration auch beim privaten Hörfunk. An den Sendern RSH, NORA und delta sind die Zeitungsverlage beteiligt. Gleiches gilt für das Fernsehen; aus Zeitgründen gehe ich hierauf nicht weiter ein.

Die Landesregierung weist in ihrem Bericht darauf hin, dass „Leiharbeit und Outsourcing von Betriebsteilen Praktiken sind, von denen auch in anderen Branchen Gebrauch gemacht wird. Auch bieten Arbeitgeberverbände vermehrt Mitgliedschaften ohne Tarifbindung an. Dies sind keine Besonderheiten des Verlagsgewerbes.“ Damit konstatiert die Landesregierung zwar eine Schwächung des Flächentarifvertrages, nimmt aber die Folgen der Ausgliederung hin, als wenn es sich bei einem Zeitungsverlag um eine Würstchenfabrik handelt. Sie betrachtet dabei kaum die Situation der Journalisten, für die die grundgesetzlich verankerte Presse- und Meinungsfreiheit nach unserer Ansicht auch gilt.

Wenn wir nun feststellen, dass die Meinungsvielfalt durch die faktische Monopolisierung in der Außenpluralität nicht mehr gegeben oder zumindest bedroht ist und sie auch durch Vorgänge wie die Ausgliederung bedeutender Ressorts im Inneren nicht mehr sichergestellt ist, muss über mehr Mitbestimmung in den Redaktionen bis hin zu einem Redaktionsstatut nachgedacht werden.

Wir werden rechtlich prüfen lassen, ob eine Aufnahme im Landespressegesetz möglich ist, auch wenn die Landesregierung die Auffassung vertritt, dass dies in einem „Tendenzunternehmen“ nicht möglich ist. Ich halte dem entgegen: Wenn ein Zeitungsverlag nach Meinung der IHK und der Landesregierung ausschließlich ein am Markt orientiertes Wirtschaftsunternehmen ist, kann er nicht gleichzeitig hauptsächlich Tendenzbetrieb sein.

Insgesamt ist festzustellen, dass der Bericht noch eine Reihe von Fragen offen lässt, weil die Landesregierung, wie sie ausführt, kaum eigene Erkenntnisse hat.

Die SPD-Landtagsfraktion wird sich daher für eine Anhörung im Innen- und Rechtsausschusse einsetzen, in der besonders die Zeitungsverlage über ihre Situation und die weitere Planung berichten sollen.

Wir legen Wert auf eine unabhängige, kritische Berichterstattung, die allen Bürgerinnen und Bürgern zugute kommt. Das ist keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten einer Redaktion oder eines Verlages. Es ist vielmehr Aufgabe der Politik, über die Durchsetzung der Grundfreiheiten in unserem Lande zu wachen. Es geht nicht um die redaktionelle Grundeinstellung und die Tendenz einer Zeitung. Darin sind die Verleger frei in ihrer Entscheidung im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften. Wir möchten aber in einer öffentlichen Diskussion auf eventuell bestehenden Missstände oder Entwicklungen hinweisen.

Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat das letzte Mal im Jahr 2003 das Landespressegesetz geändert mit dem Ziel, zumindest Transparenz für die Leser darüber herzustellen, wie die jeweiligen Eigentumsverhältnisse sind. Die Verlage wurden so verpflichtet, viermal im Jahr im Impressum offen zu legen, wer an der Finanzierung des Druckwerks beteiligt ist. Bis heute ist dem nach meiner Kenntnis keine in Schleswig-Holstein erscheinende Zeitung nachgekommen. Auch die Landräte, die die Verpflichtung hätten, dies in ihren Bereichen zu kontrollieren, sind bisher in keinem mir bekannten Fall tätig geworden.

Ich denke, der Bericht ist ein Anstoß. Meine Fraktion schlägt Ihnen vor, den Bericht in den Innenausschuss zu überweisen. Hier besteht die Möglichkeit, das Thema zu vertiefen. Wir wollen für Transparenz sorgen. Deshalb werden wir dem Innen- und Rechtsausschuss vorschlagen, eine Anhörung zu dem Bericht durchzuführen, die dann auch Aufklärung darüber bringen kann, warum der SHZ sich einer Stellungnahme für den Bericht verweigert hat. Wir hingegen werden gern auch weiterhin dem SHZ-Verlag und seinen Journalisten bereitwillig über uns und unsere Arbeit Auskunft geben.

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