28.06.2006

LANDTAGSREDE: Es bleiben viele Fragen

Gestern Abend war der Sommerempfang der ULR. „Klappe 21 – die letzte“ war das Thema, so stand es groß über der Bühne. Offensichtlich hat bei der Anstalt selbst schon der Letzte das Licht ausgemacht. Und auch die zufriedene Rede des Ministerpräsidenten ließ nicht vermuten, dass sich der Landtag heute noch mit dem Staatsvertrag befassen wird. Ich fand das schon etwas befremdlich. Und es ist gut, dass sich das Parlament von dieser Stimmung nicht mitreißen lässt, sondern selbstbewusst entscheidet, ob dieser Staatsvertrag gut für die Medienlandschaft unseres Landes ist.

Im September 2005 hat der Landtag die Landesregierung aufgefordert, mit Hamburg über eine Fusion der Medienanstalten zu verhandeln. Die neue Anstalt sollte bessere Chancen haben, einen medienpoltischen Gegenpart zu den Großen der Branche aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin-Brandenburg zu bilden. Das macht Sinn, weil Hamburg und Schleswig-Holstein schon lange ein Kommunikationsraum sind und gemeinsam Chancen besser entwickelt werden können. Als weitere Ziele hat der Landtag genannt: Die Interessen Schleswig-Holsteins sind zu wahren, die speziellen Aktivitäten der ULR sowie die Belange der dänischen und friesischen Volksgruppen sollen Beachtung finden.

Die Aufgaben, die die neue Anstalt zu bewältigen hat, sind immens. Wir befinden uns in einem Medienzeitalter, das man getrost als revolutionär bezeichnen kann. Als Stichworte seien die neue mediale Welt der Digitalisierung, die Anforderungen an die Vermittlung von Medienkompetenz, Medienpädagogik und Jugendschutz, die Folgen der Einführung des Handy-TV und anderer Endgeräte genannt. Wenn die neue Medienanstalt hier mitgestalten will, muss sie gut aufgestellt sein.

Ich will einige Fragen stellen:

1. Ist die neue Anstalt so aufgestellt, dass sie mehr als ein Begleitinstrument im Konzert der großen Landesmedienanstalten spielen kann?

Interessant ist hier die Stellungnahme der beiden Landesmedienanstalten zum Entwurf des Staatsvertrages: „Mit dem vorliegenden Aufgabenprofil … wird die neue Anstalt … nicht in der Lage sein, dem Standort Hamburg und Schleswig-Holstein mehr Gewicht zu geben. Dem Entwurf liege das Konzept einer Rumpfanstalt zugrunde, die hauptsächlich Zulassungen verwaltet. Er gebe keinerlei Orientierung für eine aufgabenorientierte Finanzausstattung (…) und er werde der Digitalisierung und der Konvergenz der Medien nicht gerecht. Insgesamt werde die Chance eines Neuanfangs für eine zeitgemäße Regulierung elektronischer Medien vertan.“ Eine Anmerkung, die Gewicht hat, weil sie immerhin von denjenigen getragen wurde, die zukünftig in der neuen Anstalt Verantwortung haben sollen.

2. Ist die neue Medienanstalt finanziell ausreichend ausgestattet?

Der epd Medien schreibt am 10.6. hierzu: „Die Medienanstalt wird finanziell schlechter ausgestattet sein als die bisherige Landesmedienanstalt für Schleswig-Holstein (ULR). Nach Einschätzung von Experten wird die neue Anstalt Nord künftig über einen Etat von 2,5 Mio. Euro verfügen. Die Medienanstalt wird danach noch über 18 % des Rundfunkgebührenanteils verfügen, der ursprünglich für die beiden Medienanstalten vorgesehen war. Beide Medienanstalten hätten demnach ein Zehntel des Etats, den z.B. Bayern jährlich verfügbar hat.“ Ob, wenn dies zutrifft, so eine Stärkung zu erreichen ist, muss kritisch hinterfragt werden.

3. Was wird aus den Sockelbeträgen, die jedes Land für seine Anstalt erhielt?

Hier besteht die Absicht, dies im nächsten Rundfunk Änderungs-Staatsvertrag zu regeln. Statt dreimaliger Zahlung von zwei Sockelbeträgen sollen diese vier Jahre gezahlt werden. Danach wird jährlich um 25 % gekürzt, bis 2015 noch ein Sockelbetrag übrig bleibt. Im Ergebnis wird also Geld fehlen. Ein Problem sieht meine Fraktion in der Zeitabfolge. Der Staatsvertrag soll zum 1. 3. 07 in Kraft treten. Der Rundfunk-Änderungsstaatsvertrag auch. Das OK-Gesetz, mit dem der Offene Kanal ausgegliedert wird, soll aber bereits zum 1. Oktober in Kraft treten. Was aber, wenn die Sockelbetragsregelung nicht verwirklicht wird und in der Folge die Fusion der Medienanstalten nicht zustande kommt, weil schon nach zwei Jahren 600.000 Euro jährlich fehlen? Dann bleiben eine ULR und ein abgesprengter OK.

4. Sind die Schleswig-Holsteinischen Interessen im neuen Vertrag ausreichend gewahrt?

Der zukünftige Standort der neuen Medienanstalt wird Norderstedt sein. Das liegt in Schleswig-Holstein, na ja! Norderstedt ist nun wirklich kein Medienstandort, es ist gelebtes und gefühltes Hamburg. Ich halte die Wahl für eine Mogelpackung. Wir hatten gehofft, dass, wenn die Filmförderung nach Hamburg geht, der Standort der neuen Medienanstalt in Kiel bleibt oder nach Lübeck kommt – oder sogar umgekehrt. Aber Norderstedt in Schleswig-Holstein, das erscheint doch sehr als fauler Kompromiss. Mit dieser Entscheidung bleibt der Nachgeschmack, Schleswig-Holstein habe sich medienpolitisch selbst in Hamburg abgegeben. Wir jedoch meinen: Wenn schon Hamburg, dann richtig!

5. Sind die Interessen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der ULR berücksichtigt?

Anders als in anderen Staatsverträgen mit Hamburg ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Regelung getroffen. Weder gibt es Aussagen zur Zukunft der Arbeitsplätze nur in der Pressekonferenz war die Rede davon, dass keine Kündigungen anstehen , noch ist die Wahl des Standortes Norderstedt für Kolleginnen aus Kiel – wenn dann sogar nur teilzeitbeschäftigt – zumutbar.

6. Können weitere Länder beitreten?

Ja, das ist positiv ist anzumerken, der Vertrag enthält eine ausdrückliche Öffnungsklausel, was die Beitrittsmöglichkeiten weiterer Medienanstalten Norddeutscher Länder angeht. In der Tat wäre eine Medienanstalt Nord, die auch Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder Bremen einschließt, vermutlich eher in der Lage, norddeutsche Interessen wirksam zu vertreten. Diese Option sollte zeitnah verfolgt werden.

Sind die Besonderheiten der ULR im Staatsvertrag berücksichtigt?

Der Offene Kanal wird zukünftig als eigenständige Anstalt des öffentlichen Rechts geführt. Das entsprechende Gesetz behandeln wir heute in erster Lesung. Ich halte dies für eine letztlich gute Lösung, weil unser Offener Kanal sich deutlich anders entwickelt hat als z.B. der Bürgerkanal „TIDE“ in Hamburg. Es wäre zu befürchten gewesen, dass die beim OK entwickelte vielfältige Kompetenz ohne Ausgliederung verloren gegangen wäre.

Und was wird aus dem Gütesiegel? Hierzu ist nichts im Vertrag zu finden. In der Schlussredaktion hat man sich offensichtlich hiervon getrennt. Das ist bedauerlich.

In seiner Entschließung hatte der Landtag eine Berücksichtigung der friesischen und dänischen Kultur und Sprache gefordert. Hiervon ist im Vertrag nichts erwähnt. Das kritisiere ich ausdrücklich, gerade weil es so einfach zu erfüllen gewesen wäre.

Es bleiben viele Fragen. Es gibt durchaus positive Aspekte, die aber abgewogen werden müssen gegenüber Nachteiligem. Ich betone: Ein Zusammenschluss der Anstalten wird weiterhin grundsätzlich von uns befürwortet. Wenn sich in den Beratungen herausstellt, dass der Vertrag unter dem Strich positiv für die Medienpolitik in Schleswig Holstein ist, sollten wir ihn beschließen. Wenn er das nicht ist, sollte das Parlament auch den Mut haben, auf Nachbesserungen zu dringen. Einen Automatismus zur Zustimmung gibt es nur auf Sommerfesten, nicht im Parlament.

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