11.10.2006

LANDTAGSREDE: Ladenöffnung der geänderten gesellschaftlichen Wirklichkeit anpassen

CDU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass – sobald rechtlich die Möglichkeit besteht – in Schleswig-Holstein ein Ladenöffnungsgesetz auf den Weg gebracht wird, das den Verkauf von Waren aller Art montags bis samstags ohne zeitliche Beschränkung gestattet.

Durch die Föderalismusreform ist die Kompetenz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten nun auf die Länder übergegangen. Und wenn der Landtag dieses Gesetz beschließt, kann in Schleswig-Holstein jeder Gewerbetreibende frei entscheiden, wann er es für wirtschaftlich hält, seine Waren anzubieten. Einschränkungen gelten nur noch sonn- und feiertags. Im Übrigen wird die Nachfrage regulieren, ob und wann Läden in Schleswig-Holstein geöffnet werden.

Uns ist bewusst, dass es nicht nur Befürworter für diese Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten gibt. Die Gewerkschaften sehen in der Freigabe der Ladenöffnungszeiten eine Aufweichung des Arbeitnehmerschutzes. Die Chancen des kleinen Handels im Wettbewerb mit Großhandelsunternehmen würden geschwächt, es käme zu einer Abwanderung der Käufer von den Innenstädten in die Außenbezirke. Die großen christlichen Kirchen wollen vor allem die Sonntagsruhe gewahrt wissen. Sie berufen sich dabei auf eine Jahrhunderte alte Tradition, in der dem Sonntag eine besondere Funktion für das gesellschaftliche und familiäre Miteinander zufalle.

Für die SPD gibt es jedoch letztlich überwiegend Gründe, das Ladenöffnungsgesetz in der hier vorgelegten Form einzubringen. Wir meinen: Die Regelungen aus dem Jahr 1956 sind nicht mehr zeitgemäß und passen nicht mehr in eine veränderte gesellschaftliche Wirklichkeit. Diese ist geprägt von veränderten Zeiten der Berufstätigkeit, der Zunahme von Dienstleistung und einem veränderten Freizeitverhalten. Sie passen auch nicht mehr in den europäischen Kontext. Dort gibt es schon lange Liberalisierungen der Ladenöffnungszeiten. Kein europäisches Nachbarland hat derartig strikte Regelungen, wie sie bei uns noch gelten.

Auch die Praxis, genauer: die Ausnutzung von Sonderregelungen haben das Ladenschlussgesetz weiter ausgehöhlt. Auf Bahnhöfen und Flughäfen sind wegen der dort geltenden Sonderregelung Kaufhäuser entstanden. Unter dem Deckmantel, Reisebedarf anzubieten, werden dort Waren aller Art verkauft, wenn andere Geschäfte längst geschlossen sein müssen. Die Tankstellen sind zuverlässige Versorgungsquellen für all diejenigen, die länger oder später arbeiten.

Der Ladenschluss ist daher ein Relikt und ein Ladenhüter, den wir abschaffen wollen, weil er schon lange nicht mehr als Ordnungsinstrument funktioniert und zu gravierenden Wettbewerbsverzerrungen geführt hat. Versuchen Sie einmal, einem Bäcker zu erklären, warum er sein von ihm selbst gebackenes Brot nach 20 Uhr nicht mehr im eigenen Laden verkaufen darf, das gleiche Brot aber an der Tankstelle gegenüber auch nachts noch angeboten werden darf, und das auch noch zu einem höheren Preis.

Durch die Abschaffung des Ladenschlusses besteht die Möglichkeit, Nischen zu füllen, wo bisher ein Verkauf von Waren verboten war. Von dieser Möglichkeit können gerade auch kleinere Anbieter profitieren. Und im Übrigen gilt: Kein Unternehmer, keine Unternehmerin ist verpflichtet, die zukünftig geltenden Ladenöffnungszeiten auszuschöpfen. Im Gegenteil: Wir gehen davon aus, dass sich im Wesentlichen an den Öffnungszeiten gegenüber der heutigen Praxis nicht viel ändern wird. Auch heute schon werden lange nicht in allen Geschäften die Öffnungsmöglichkeiten bis 20 Uhr ausgeschöpft. Das wird auch in Zukunft so sein. So ist es aber denkbar, dass zu besonderen Anlässen, in der Nähe von Theatern und Kinos, bestimmte Geschäfte länger öffnen, während andere in ruhigeren Lagen früher schließen.

Die Argumente der Gewerkschaften nehmen wir durchaus ernst. Bei einer Liberalisierung muss gewährleistet bleiben, dass die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Ausgestaltung einer Ladenöffnung beachtet werden. Wir sind aber der Auffassung, dass dies nicht durch ein Ladenschlussgesetz, sondern durch Arbeitszeitordnung, Arbeitsschutzgesetz, Tarifverträge oder durch Betriebsvereinbarungen geregelt werden kann und muss.

Bei Abfassung des Gesetzes haben wir uns neben der Kernaussage, dass der Ladenschluss montags bis samstags abgeschafft wird, ausführlich mit der Stellung des Sonntages beschäftigt. Wir legen ausdrücklich Wert darauf, dass der Sonntag weiterhin ein Tag der Ruhe bleibt, an dem die Geschäfte weitestgehend geschlossen sind. Lediglich die schon bisher mögliche Öffnung an vier Sonntagen im Jahr, verbunden mit lokalen Ereignissen und Veranstaltungen, wie sie auch im alten Gesetz schon enthalten war, soll Bestand haben. Die zwischenzeitlich erhobene Forderung, die Öffnung an Sonntagen auch in der Adventszeit zu ermöglichen, haben wir nicht übernommen. Wir sind der Auffassung, dass die Adventssonntage wegen ihrer besonderen Bedeutung in unserem gesellschaftlichen Leben tabu bleiben sollen.

Zusammengefasst stelle ich fest:

Schon bald wird in Schleswig-Holstein der Ladenschluss montags bis samstags abgeschafft sein. Der Sonntag bleibt weiterhin geschützt, die Bäderregelung bleibt erhalten. Wir haben dann in Schleswig-Holstein für den Handel Rahmenbedingungen geschaffen, die dieser nun – nach jahrelanger Forderung an uns, diesen Weg zu gehen – nutzen muss. Wir erwarten, dass der Schutz der Mitarbeiterinnen Und Mitarbeiter, wie dies auch in anderen Bereichen geschieht, in denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abends, nachts oder auch an Feiertagen arbeiten müssen, gesichert wird.

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