12.10.2006

LANDTAGSREDE: Zur kulturellen Vielfalt gehören auch die Medien

Die Freude in Dänemark und in Schleswig-Holstein war groß, als das Königreich dem Vertrag von Schengen beitrat. Die sichtbare Grenze verschwand. Im Grenzland war eine weitere Hürde auf dem Weg zu einer gemeinsamen Region beseitigt, der Region Sonderjylland/Schleswig.

Aber auch Grenzen werden moderner. Eine neue, bisher unbekannte Grenze soll gerade zu unseren dänischen Nachbarn gebaut werden dies an einer Stelle, an der es niemand vermutet hätte. Fernsehprogramme aus anderen Ländern, in diesem Fall vom dänischen Nachbarn, bereichern in vielfacher Weise die Kultur und natürlich auch das Verständnis von Leben und Denken der Dänen. So hat auch die deutsche Mehrheitsbevölkerung in Schleswig-Holstein einen großen Nutzen, indem sie im nördlichen Landesteil die beiden dänischen Fernsehprogramme empfangen kann.

Viele Menschen profitieren davon, dass sie zum Beispiel englischsprachige Filme im Original sehen können. Und wer ein bisschen Dänisch kann, wird aus erster Hand über das Geschehen im Königreich informiert. Man möchte meinen, dass es im Sinne des geeinten Europas ist, möglichst vielfältig informiert und auch unterhalten zu werden. Europa lebt von seiner kulturellen Vielfalt von Bulgarien bis Schweden.

Für die dänische Minderheit im Lande sind die beiden Fernsehprogramme neben den Zeitungen die wichtigste Informationsquelle in den Bereichen der dänischen Politik und Kultur. Was bisher selbstverständlich war, könnte nun zu einem kulturpolitischen Problem werden, da es hier um grundsätzliche Fragen der Informationsfreiheit geht.

Bei dem Streit zwischen Kabel Deutschland und den beiden öffentlich-rechtlichen Sendern DR 1 und TV2 geht es nicht um Kultur und Programm, sondern schlicht ums Geld. Als die dänischen Sender mehr Geld für ihre Programme haben wollten, sagte Kabel Deutschland nein. Nun sind die Sender DR und TV2 von ihren Forderungen zumindest so weit abgerückt, dass ihre Programme nicht zum 15. Oktober aus dem Programm entfernt werden. Das ist zu begrüßen.

Aber der Verlauf der Diskussion lässt vermuten, dass damit nur ein weiteres Zeitfenster geöffnet wurde. Das muss nun zu intensiven Verhandlungen genutzt werden. Die Landesregierung bitten wir, sich dafür einzusetzen, dass alles so bleibt, wie es war und noch ist.

Man mag die Auffassung vertreten, dass eine Landesregierung sich nicht einmischen sollte, da bei uns das Gebot der Staatsferne gilt, wenn es sich um Medienangelegenheiten handelt. In diesem Fall geht es aber nicht um das Programm, wo die Staatsferne unabdingbar ist, sondern um die Übertragungs- oder Einspeisungsrechte. Aber auch die dänische Seite ist aufgefordert, sich mit den Argumenten für die Beibehaltung der bisherigen Regelung einzusetzen. Wir bitten das Folketing und die Regierung in Kopenhagen, auf die Verantwortlichen von DR 1 und TV 2 einzuwirken und ihnen die politischen Dimensionen der Angelegenheit klar zu machen.

Zur Erinnerung: Die Urheberrechtsentgelte für die Einspeisung von Sendern anderer Länder werden für alle einheitlich vom WDR ausgehandelt. In allen Grenzregionen gilt das. Klar muss werden: auch für dänische Sender.

Wenn wir den besonderen Schutz und die Förderung der Minderheiten in unserer Landesverfassung ernst nehmen, müssen sich Parlament und Regierung in diese Angelegenheit einmischen und versuchen, Einfluss zu nehmen.

Wir unterstützen den Antrag des SSW, der ja nun zu einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen in diesem Hause geworden ist, besonders auch deshalb, weil er sich nicht nur für die Übertragung des dänischen Fernsehens in Schleswig-Holstein einsetzt, sondern auch für die deutsche Minderheit in Nordschleswig, ARD und ZDF zu empfangen. Das wiederum ist auch aus den vorher genannten Gründen für die dänische Mehrheitsbevölkerung in Nordschleswig wichtig. Was zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen mit niederländischen oder belgischen Programmen möglich ist, sollte doch auch in unserem Bundesland möglich sein!

Gerade ist die deutsche Ausgabe eines 600 Seiten umfassende Buches über die nationalen Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland 1945-2005 in der Schriftenreihe des Institutes für Zeit- und Regionalgeschichte der Universität Flensburg erschienen. Es trägt den Titel „Ein Europäisches Modell?“ Zwar steht hinter dem Titel ein Fragezeichen, aber die Minderheitenpolitik auf beiden Seiten der Grenze ist vorbildlich und beispielhaft, diese Aussage sollte erlaubt sein. Wenn es sich um ein Modell handeln sollte, dann gehört auch die kulturelle Vielfalt dazu. Und zu dieser Vielfalt gehören auch die Medien, die den kulturellen Austausch und das „Voneinanderwissen“ ermöglichen und vertiefen.

Die SPD-Landtagsfraktion fordert daher Kabel Deutschland und die dänischen Programmanbieter auf, sich zu einigen, damit ein wichtiger Teil unserer Alltagskultur erhalten bleibt. Beide Regierungen, auf dänischer und auf Schleswig-Holsteinischer Seite, sollten helfen, dieses Ziel zu erreichen. Alles andere wäre ein Desaster und würde einen Schatten werfen auf die sonst zu Recht immer wieder gelobte gute deutsch-dänische Partnerschaft.

Es darf am Ende nicht heißen: Deutsch-dänische Verständigung aber nur bis zur Grenze. Da wäre er dann … der ganz andere schwarze Kanal.

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