26.02.2009

LANDTAGSREDE: Die Entwicklungschancen des öffentlichen Rundfunks erhalten

Wohl kaum ein Staatsvertrag, der sich mit der Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschäftigt, ist so wegweisend und so einschneidend wie dieser. Dieser Staatsvertrag wird die Rundfunklandschaft verändern!

Nicht ohne Grund hat die Diskussion um den Vertrag und seine Folgen in der medienpolitischen Landschaft hohe Wellen geschlagen: Die kommerziellen Medienunternehmen haben immer weitere Restriktionen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefordert, gleichzeitig fürchten ARD und ZDF um ihre Unabhängigkeit und Zukunftsfähigkeit als Garanten für ein vielfältiges kulturelles, bildungsrelevantes und unterhaltendes Programm.

Auslöser für den aktuellen Änderungsbedarf war das so genannte Beihilfeverfahren der EU-Kommission. Der aus den Verhandlungen zwischen Deutschland und der EU erfolgte Beihilfekompromiss ist Grundlage für den Staatsvertrag. Dieser geht jedoch weit über das in dem Kompromiss Geforderte hinaus.

Das ist am Beispiel des Internet-Auftritts der öffentlich-rechtlichen Sender darstellbar: Vom Grundsatz her ist es in Ordnung, dass die Online-Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Anstalten geregelt werden und dabei die Interessen der privaten Anbieter, auch der Printmedien, gewahrt bleiben. Der Staatsvertrag regelt detailliert, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet darf und was nicht. Da bereits heute mehr Jugendliche einen Computer als einen Fernseher im Zimmer haben, ist es naheliegend, dass es um massive Interessen zwischen den öffentlichen-rechtlichen Anbietern, den privaten Sendern und den Verlagen geht.

So dürfen nach dem Vertrag die öffentlich-rechtlichen Sender künftig nur sendungsbezogene Angebote und diese auch nur sieben Tage in das Internet einstellen, Bundesliga- und andere Spitzensportereignisse sogar nur für 24 Stunden. Für diese 7-Tage-Regelung gibt es jedoch keine inhaltliche Begründung. Ratgeberportale sind ebenso verboten wie Veranstaltungskalender, wenn sie keinen direkten Sendungsbezug haben eine unverständliche Beschränkung gerade für die Landesprogramme. Und was das Verbot des Angebotes „presseähnlicher Produkte“ eigentlich in der Praxis der Online-Präsenz der Sender bedeutet, wird sicher erst in einem Rechtsstreit zwischen Verlagen und Sendern entschieden werden.

Es ist zwar zu begrüßen, dass das ursprünglich geplante Verbot, Unterhaltungssendungen ins Internet zu stellen, wieder aufgehoben wurde. Dies sichert die Möglichkeit, auch Kinder und Jugendliche über eine Vernetzung von Information und Unterhaltung zu erreichen. Gleichzeitig sollen jedoch jetzt alle bestehenden Telemedienangebote der öffentlich-rechtlichen Sender bis 2010 einem sog. Drei-Stufen-Test unterzogen werden, wie er bisher nur für digitale Zusatzprogramme vorgesehen war wohlgemerkt: auch die vorhandenen. Das bedeutet einen gewaltigen finanziellen Aufwand für z. T. lange bestehenden Angebote, die u.a. auf ihren gesellschaftlichen Mehrwert überprüft werden sollen. Wie das bei bestehenden Angeboten gehen soll, erschließt sich nicht ohne weiteres.

Insgesamt geht auch der Drei-Stufen-Test über die Vorgaben der Europäischen Kommission hinaus. Hier hätte es genügt, wenn die Sendeanstalten ein Konzept für ihre Telemedien vorlegen.

Ausdrücklich begrüßen wir, dass der Vertrag auf Initiative der SPD-Fraktion des Schleswig-Holsteinischen Landtages erstmalig eine Regelung zur Barrierefreiheit im Fernsehen aufgenommen hat. Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf für eine gleichberechtigte Teilhabe von hör- und sehbeeinträchtigten Menschen am Fernsehangebot und damit an der freien Meinungsbildung in unserer Gesellschaft.

Die vom Grundgesetz garantierte Rundfunkfreiheit und das grundsätzlich ausgewogene Gleichgewicht der deutschen Rundfunklandschaft im Rahmen des dualen Systems muss auch für zukünftige Generationen von Mediennutzern Bestand haben. Und für diese zukünftige Generation gilt eben auch, dass öffentlich-rechtliche Medien über neue Wege, wie z. B. das Internet, verbreitet werden. Und diese vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellte Entwicklungsgarantie der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender muss berücksichtigt werden. Ich fürchte, dass durch die genannten Punkte die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in nicht zulässiger Weise eingeschränkt wird.

Dieser Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird jetzt in den Ländern beraten, und es ist zumindest bei realistischer Betrachtung davon auszugehen, dass wohl letztendlich eine Zustimmung erfolgt, schon wegen der gravierenden Folgen, die die Ablehnung des Staatsvertrages hätte. Auf der anderen Seite  halte ich es für erforderlich, dass wir uns mit seinen Folgen sehr intensiv auseinandersetzen, um für die Zukunft auf anstehende Diskussionen und vermutlich auch Rechtsstreitigkeiten vorbereitet zu sein.

Ich finde, wir haben in der Bundesrepublik allen Grund, stolz zu sein auf unser duales Rundfunksystem Viele Länder in der Welt beneiden uns um die Qualität der Angebote, die Unabhängigkeit der Sendeanstalten. Ich finde, wir haben allen Grund, gerade diese Unabhängigkeit – auch von der Politik und damit von uns selbst zu verteidigen. Dazu gehört auch, dass wir unser Interesse für all das, was mit unserem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem geschieht, schärfen. Veränderungen sollten wir nicht Europa-Bürokraten und Juristen auf der Arbeitsebene in den Staatskanzleien überlassen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört den Menschen in diesem Land, sie haben einen Anspruch darauf, dass er gegen Veränderungen, die seine Unabhängigkeit und seine Entwicklungschancen bedrohen, verteidigt wird. Dieser Grundsatz sollte die Beratungen im Fachausschuss leiten.

zurück | nach oben