15.07.2009

LANDTAGSREDE: Direktwahl der Landräte abgeschafft, Ehrenamt gestärkt

Landtagsrede vom 15.07.2009 zu TOP 16, Neuregelung der Wahl der Landräte und Einführung eines Verwaltungsausschusses (Drucksache 16/2766)

Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat bereits im Dezember 2008 beschlossen, die im Jahr 1995 eingeführte Direktwahl der Landrätinnen und Landräte wieder abzuschaffen. Durch ein Vorschaltgesetz haben wir gleichzeitig sichergestellt, dass nicht noch über Jahre direkt gewählte Landräte neben solchen amtieren, die bereits in mittelbarer Wahl gewählt worden sind.

Gleichzeitig mit der Einführung der mittelbaren Wahl von Landrätinnen und Landräten soll eine Stärkung des Ehrenamtes, d. h. des Kreistages gegenüber dem seinerzeit mit der Einführung der Direktwahl gestärkten Landrat bzw. der Landrätin erfolgen. Die Erfahrung in den letzten Jahren hat gezeigt, dass die Einflussbalance zwischen Ehren- und Hauptamt nicht mehr ausgewogen ist. Dieses wollen wir neu austarieren. Beides sowohl die Einführung der mittelbaren Wahl der Landrätinnen und Landräte als auch die Stärkung des Ehrenamtes ist in dem vorliegenden Gesetzentwurf realisiert.

Es hat in der Vergangenheit Diskussionen darüber gegeben, ob es zulässig und angemessen ist, ein den Bürgerinnen und Bürgern einmal zugestandenes Wahlrecht wieder einzusammeln. Auch wenn die niedrige Wahlbeteiligung bei Landratswahlen ein Indiz dafür ist, dass diese Wahl nicht in der erwünschten Form angenommen wird, ist dies allein kein Grund, sie wieder abzuschaffen.

Wir müssten, diesem Argument folgend, möglicherweise auch über die Abschaffung anderer Wahlen nachdenken, dies verbietet sich. Auch die Nichtteilnahme an einer Wahl ist eben eine in der Demokratie zulässige Form der Meinungsäußerung.

Schwerwiegender ist, dass mit dem Landrätin und Landrat in den Kreisen nicht ein Regierungschef, sondern lediglich ein Verwaltungschef gewählt wird. Der langjährige Vorsitzende des Landkreistages, Johannes Petersen, hat es einmal so  formuliert: „Zu großen Teilen hat der Landrat staatliche Weisungsaufgaben zu erfüllen und er ist für seinen Teil seiner Tätigkeit untere Landesbehörde, also Teil der Staatsbehörde. Es ist völlig systemfremd, dass ein ausschließlich den Gesetzen verpflichteter Beamter sich einer politischen Wahl stellen muss. Das führt zu einer Politisierung des Amtes, was dem Amt eigentlich abträglich ist.“

Dieser Einschätzung stimme ich ausdrücklich zu und ergänze, dass die Erfahrungen in den letzten Jahren mit direkt gewählten Landrätinnen und Landräten diese Ansicht bestätigt haben. Fazit: Eine Landrätin bzw. ein Landrat ist ein Verwaltungschef, der sinnvoll und richtig von den Kreistagen in mittelbarer Wahl bestimmt werden soll. Die Voraussetzung hierfür schaffen wir in diesem Gesetz und übernehmen für das Wahlverfahren die bis 1995 geltenden Bestimmungen aus der damaligen Kreisordnung. Gleichzeitig werden wir mit diesem Gesetz zu einer Stärkung des Ehrenamtes gegenüber der Position der Landrätin bzw. des Landrates kommen.

Ein Argument für die Übertragung von Aufgaben auf die Landräte, die bis dahin von Kreistag bzw. dem damaligen Kreisausschuss wahrgenommen wurden, war, dass die Landrätin bzw. der Landrat aufgrund seiner besonderen Stellung als direkt gewählte/r auch eine stärkere Position und einen umfangreicheren Kompetenzbereich haben müsste.

Weiter wurde aber auch gesagt, dass die Neuordnung und Abschaffung des damaligen Kreisausschusses zu einer Stärkung des Ehrenamtes führen würde. Diese Darstellung war damals schon nicht nur verwirrend, sondern leicht als der vergebliche Versuch der Quadratur des Kreises (der Kreise) zu durchschauen. Richtig ist, dass bei der Neuordnung und Abschaffung des Kreisausschusses der Landrat in seiner Position deutlich gestärkt, hingegen der Kreistag mit seinen Gremien geschwächt wurde.

Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf trägt der Absicht, das ehrenamtliche Element gegenüber Landrätin und Landrat wieder zu stärken, Rechnung. Von der ursprünglichen Absicht, einen Verwaltungsausschuss nach dem Vorbild des früheren Kreisausschusses mit Organstellung einzurichten, sind wir auf Drängen unseres Koalitionspartners abgerückt. Stattdessen wird neben der Einführung der mittelbaren Wahl, die die wesentlichste Stärkung des Ehrenamtes und des Kreistages darstellt, ein Verwaltungsausschuss mit gegenüber dem jetzigen Hauptausschuss gestärkten Kompetenzen eingerichtet. In Abstimmung mit ihm soll die Landrätin bzw. der Landrat so heißt es in § 53 zukünftig die Verwaltung leiten.

Der Verwaltungsausschuss wird keine Organstellung haben, aber nicht nur durch seinen Namen dicht an die Seite der Landrätin und des Landrates gestellt, die/der stärker als bisher mit dem Ehrenamt zusammenwirken wird. Er wird damit faktisch zu einem die Verwaltung mitleitendem Organ, ohne dass das Trennungsprinzip zwischen dem Kreistag als Ebene der Willensbildung und dem Landrat als ausführende Ebene verlassen wird. In seinen Kompetenzen gestärkt, wird er deutlich mehr Einfluss auf die Entscheidungen haben, die bisher dem Landrat vorgehalten waren, und wird damit zu einem Partner des Landrates auf Augenhöhe in wichtigen Fragen.

Neben den bereits jetzt bestehenden Aufgaben des Hauptausschusses wird der Verwaltungsausschuss erweiterte Kompetenzen im Rahmen der Beteiligungsverwaltung haben. So wird er das Recht haben, dem Vertreter des Kreises Weisungen zu erteilen, soweit die jeweilige Beteiligung des Kreises mehr als 25 % beträgt.

Weiter wird der Verwaltungsausschuss die Entscheidung über Einstellungen und Ausscheiden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die der Landrätin oder dem Landrat unmittelbar unterstellt sind, sowie wiederum deren direkt unterstellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern treffen können. Wichtig ist, dass dies sich nicht nur auf die abschließende Entscheidung, sondern auch auf die entscheidungserheblichen Vorbereitungsmaßnahmen bezieht. Weiter wird der Verwaltungsausschuss über die Gliederung der Verwaltung auf Vorschlag des Landrates bzw. der Landrätin entscheiden. Mit diesen neuen Kompetenzen wird der Verwaltungsausschuss zu einem gewichtigen Partner an der Seite der Landrätin bzw. des Landrates.

Der Verwaltungsausschuss wird nicht öffentlich tagen. Im Gegensatz zum früheren Kreisausschuss haben aber alle Kreistagsmitglieder das grundsätzliche Recht, an den Sitzungen des Verwaltungsausschusses teilzunehmen. Ich sage für meine Fraktion, dass wir uns hier auch hätten vorstellen können, die Frage, ob der Verwaltungsausschuss öffentlich oder nicht öffentlich tagt, in die Entscheidung des Kreistages über die Hauptsatzung zu geben. Dieser Vorstellung konnte unser Koalitionspartner bisher jedoch nicht folgen.

Um Pattsituationen gerade wegen der dort zukünftig zu treffenden Personalentscheidungen zu vermeiden, wird der oder die Vorsitzende eine Entscheidung herbeiführen können. Auch dies ist ein Punkt, den meine Fraktion sich anders geregelt hätte vorstellen können; wir sahen die Notwendigkeit nicht, sind hier jedoch den Wünschen unseres Koalitionspartners gefolgt.

Wir streben an, dass wir nach Beratung im Ausschuss in der September-Sitzung des Landtages zu einer Entscheidung kommen. Danach können dann in den Kreisen Pinneberg und Steinburg und inzwischen auch Stormarn die anstehenden Wahlen für Landräte bzw. Landrätinnen auf der Basis des neuen Gesetzes in die Wege geleitet werden.

Warum bleibt die Direktwahl in den Städten unseres Landes bestehen? Diese Differenzierung ist zulässig und angesichts unterschiedlicher Aufgabenstellungen sachgerecht. Die Direktwahl in den Städten wird von den Bürgerinnen und Bürgern anders angenommen, da die Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterinnen hier sehr viel mehr als Repräsentanten ihrer Stadt gesehen werden und auch andere Entscheidungskompetenzen haben.

Im übrigen ist eine Differenzierung schon jetzt gegeben, da wir wie ich meine, aus gutem Grund auch die ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in den kleinen Gemeinden nicht direkt wählen lassen, sondern dieses den Gemeindevertretungen überlassen.

Ich fasse zusammen: Durch die neue Kreisordnung wird das ehrenamtliche Element in den Kreistagen gestärkt.

  1. Der Kreistag wählt den Landrätin und Landrat mittelbar in eigener Zuständigkeit, was eine wesentlichste Stärkung des Ehrenamtes und des Kreistages darstellt
  2. Es wird ein Verwaltungsausschuss mit gegenüber dem jetzigen Hauptausschuss gestärkten Kompetenzen eingerichtet. In Abstimmung mit ihm soll die Landrätin bzw. der Landrat zukünftig die Verwaltung leiten. Der Ausschuss wird damit faktisch zu einem die Verwaltung mitleitenden Organ auf Augenhöhe mit dem Landrat, ohne dass das Trennungsprinzip zwischen dem Kreistag als Ebene der Willensbildung und dem Landrätin und Landrat als ausführende Ebene  verlassen wird.
  3. Der neu eingerichtete Verwaltungsausschuss hat wesentliche Kompetenzen bei der Besetzung von Spitzenpositionen in der Kreisverwaltung und ist
  4. Partner auf Augenhöhe bei der Organisation der Verwaltung, wobei die Landrätin bzw. der Landrat als Leiter der Verwaltung das Vorschlagsrecht behält.
  5. Im Beteiligungscontrolling erhält das Ehrenamt über den Verwaltungsausschuss die Möglichkeit, bei allen Beteiligungen mit mehr als 25 % dem Vertreter oder der Vertreterin des Kreises Weisung zu erteilen.

Wir sind sicher, dass wir damit nicht nur das Ehrenamt gestärkt haben, sondern dass auch bei Bürgern und Bürgerinnen, die in den letzten Jahren nach unserer Einschätzung etwas das Interesse an der Mitarbeit in der Kreispolitik verloren haben, dieses wieder neu geweckt werden kann.

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