16.07.2015

Bundesweite Wiedergutmachungsregelung für alle Opfer

TOP 26, Fonds für die Heimerziehung (Drs. 18/3173neu, 18/3226)

Es war nur ein Ergebnis des Anfang 2011 abgeschlossenen Runden Tisches unter der Leitung von der Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer. Dieser hatte nach intensiver Beschäftigung mit den Tausenden von Schicksalen ehemaliger Kinder und Jugendlicher in öffentlicher Heimerziehung Entschädigungsregelungen als Wiedergutmachung vorgeschlagen.

Dieser Runde Tisch war ein Segen. Denn er machte Zustände in vielen Heimen der 50iger und 60iger Jahre öffentlich, die sich zumindest eine breite Öffentlichkeit nicht hat vorstellen können. Misshandlungen, Demütigungen unter dem damals standardmäßig verwendeten Diagnoseparametern „da weitere Verwahrlosung droht“ nach dem alten Jugendwohlfahrtgesetz waren an der Tagesordnung.

Gut, es gab auch eine ganze Reihe von Heimen, in denen so etwas nicht passierte, aber eben viel zu viele, in denen die unfassbarsten Verhältnisse herrschten, die ausschließlich darauf ausgerichtet waren, jungen Menschen, die „verwahrlost“ waren, über diese Diagnose ihren Willen und ihre Persönlichkeit zu brechen.

Allen war seinerzeit klar, dass für diese Menschen keine wirkliche Wiedergutmachung möglich ist. Jede finanzielle Entschädigung, egal wie hoch sie sei, konnte im Nachhinein nicht das Unrecht ausgleichen, das ihnen von quasi staatlicher Seite wiederfahren war. Trotzdem war es wichtig, den Fonds einzurichten, in dem bundesweit alle Länder, der Bund und einige Träger von Einrichtungen einzahlten.

Bei uns in Schleswig-Holstein wurde die Anlaufstelle für betroffene ehemalige Heimkinder eingerichtet, die eine gute Arbeit leistete. Es konnten über die Beratungsstelle Schleswig-Holstein bis zum Mai 2015 etwa 1.500 Betroffene bereits Leistungen erhalten. Das Volumen des Fonds hat sich als nicht ausreichend herausgestellt. Gut, dass gerade in den letzten Tagen die Nachricht kam, dass die Bundesregierung diesen Fonds erneut um 100 Millionen Euro aufgestockt hat.

Wie gesagt: Seit 2012 gibt es den für die Opfer der Heimerziehung einen Hilfsfonds, aber es wurden diejenigen vergessen, die seinerzeit als behindert oder psychisch krank eingestuft wurden. Oft kamen sie zur Strafe in Einrichtungen der Psychiatrie und wurden dort vergessen und gedemütigt, waren Gewalt, Erniedrigung und Missbrauch ausgesetzt. Es ist deshalb gut, dass jetzt intensiv nach Wegen gesucht wird, damit auch für diesen Personenkreis eine geeignete Form der Wiedergutmachung gefunden werden kann.

Die Aufforderung im Antrag der Piraten suggeriert, dass in Schleswig-Holstein bisher überhaupt nicht darüber nachgedacht worden ist. Das ist natürlich nicht richtig. Schon im Juni 2014 hat auf Antrag meiner Kollegin Birte Pauls die Sozialministerin im Sozialausschuss über ihre Bemühungen berichtet, auf Bundesebene im Zusammenwirken mit den Ländern eine Regelung zu finden. Und schon seit fast einem Jahr ist die ehemalige Landespastorin Thobaben damit beauftragt, den betroffenen Personenkreis zu erfassen.

Auch in Schleswig-Holstein hat es Einrichtungen der Behindertenhilfe gegeben, in denen diese Menschen zum Teil grausamstes Leid erlebt haben. Ich nenne nur die Einrichtung in Hesterberg in der Trägerschaft des Landes Schleswig-Holstein, den Paulihof, Glückstadt und Heiligenhafen. Die SPD-Fraktion wünscht deshalb auch für diesen Personenkreis eine geeignete Lösung. Diese muss aber bundesweit gefunden werden, weil eine landesspezifische Lösung nicht praktikabel ist. Wir haben deshalb unseren Änderungsantrag zu dem Antrag der Piraten eingebracht, um auf eine schnelle und praktikable Lösung auf Bundesebene mit allen Ländern und Trägern drängen.

Genauso wichtig wie die finanzielle Entschädigung ist die Wahrnehmung und die Anerkennung des Leides als solches. Und ich begrüße es sehr, dass Ministerpräsident Albig sich bei jedem einzelnen der Opfer schriftlich für das erfahrene Leid im Namen des Landes Schleswig Holstein entschuldigt. Dieses hat für viele der betroffenen Menschen eine große Bedeutung. Das gilt auch für die Opfer in Kinder- und Jugendpsychiatrien.

Gerade in Schleswig-Holstein steht für viele Opfer die ehemalige Einrichtung Hesterberg wie ein Mahnmal für das Leid. Die Zellen sind zum Teil noch erhalten und geben Zeugnis von einer dunklen Zeit, die auch das Land Schleswig Holstein zu verantworten hat, denn Hesterberg war eine Landeseinrichtung. Vielleicht ist es ja möglich, in diesem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude etwas zu erhalten – gegen das Vergessen und als Mahnung für die Zukunft.

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