20.01.2016

LANDTAGSREDE: Unsere Fraktion hat unterschiedliche Positionen

TOP 3, Änderung des Gesetzes über Sonn- und Feiertage (Drs. 18/1242, 18/3750, 18/3717, 18/3754)

Nachdem ich zuvor meinen eigenen Änderungsantrag vorgestellt habe, spreche ich nun ausdrücklich für meine Fraktion. Sie wissen, wir haben uns in der SPD-Fraktion darauf verständigt, diese Abstimmung freizugeben. Denn für einen Teil von uns ist die Frage der Sonn- und Feiertagsruhe im Besonderen an den sogenannten „stillen Tagen“ auch eine Frage, die den persönlichen Glauben und damit das Gewissen betrifft. Die Diskussion in unserer Fraktion ist kontrovers, aber ernsthaft geführt worden. Die unterschiedlichen Auffassungen werden im Abstimmungsverhalten zum Ausdruck kommen.

In diesem Zusammenhang haben auch einige von uns Kontakt zu den beiden großen Kirchen, im Wesentlichen der evangelischen Kirche gesucht und erörtert, ob es möglicherweise von dieser Seite Bereitschaft für einen Kompromiss geben kann. Denn im Besonderen junge Menschen diskutieren die Frage des sogenannten Tanzverbotes intensiv und wir müssen – wie auch die Kirchen – uns fragen, warum das so ist und warum die Wahrung der Ruhe an „stillen Tagen“ offensichtlich lange nicht mehr allen überzeugend begründet werden kann.

Ich will nicht verhehlen, dass trotz interessanter Gespräche, die dadurch zustande kamen, ich enttäuscht darüber bin, wie rigoros die Kirchen alle Argumente für Änderung oder auch nur Modifizierung vom Tisch gewischt haben. Ich kann es einerseits verstehen, dass die Kirchen an diesen Regelungen festhalten möchten. Ich habe aber auch die Erwartung an – das sage ich bewusst – meine Kirche, dass sie sich mit den Widersprüchen und Veränderungen auseinandersetzt und auf diejenigen zugeht, die bestimmte Positionen zumindest in ihrer Absolutheit nicht mehr verstehen können.

Ich akzeptiere aus meinem Verständnis von Toleranz alle in meiner Fraktion geäußerten Positionen und bin froh darüber, dass wir diese Diskussion so ernsthaft geführt haben. Einige wenige meiner Fraktion vertreten die Auffassung, dass es richtig wäre, gänzlich auf Einschränkungen und verordnete Ruhe an den sogenannten „stillen Tagen“ zu verzichten. Sie argumentieren, dass es jedem Menschen selbst überlassen sein muss, zu entscheiden, ob und in welcher Weise er an diesen Tagen innehält. Auch, in welcher Weise er Rücksicht auf andere nimmt.

Ein anderer Teil in der Fraktion sieht es anders: Die bestehenden Regelungen zu den „stillen Feiertagen“, so wie sie in unserem Sonn- und Feiertagsgesetz jetzt stehen, seien sachgerecht und angemessen, es ist aus ihrer Sicht wünschenswert, an wenigen Tagen im Jahr innezuhalten, auch dabei die religiösen Gefühle anderer zu respektieren.

Zwischen diesen beiden Positionen ordnen sich andere ein. Sie befürworten einen der beiden Kompromissvorschläge, die von Herrn Harms bzw. mir zuvor begründet wurden. Diese Kolleginnen und Kollegen suchen nach einem Ausgleich mit denjenigen, die für sich in Anspruch nehmen, an diesem Tag in ihrer Ruhe nicht durch öffentliche Veranstaltungen gestört zu werden.

Dabei ist es in meiner Fraktion so, dass einige den Vorschlag von Herrn Harms für zielführend halten, andere den von mir eingebrachten. Beide unterscheiden sich im Wesentlichen in unterschiedlichen Zeiten am Volkstrauertag und Totensonntag, während die angestrebte Regelung für den Karfreitag wortgleich ist.

Eine weitere Änderung betrifft die Frage, ob mit dem im Gesetz enthaltenen Verbot störender Aktivitäten auch die Einschränkung des Versammlungsrechts verbunden ist oder ob dies gegen die Verfassung verstößt. Hierzu hat ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes ergeben, dass eine Einschränkung des Versammlungsrechts nicht nur verhältnismäßig in der Abwägung zwischen den beiden Verfassungsgeboten des Sonn- und Feiertagsschutzes und der Versammlungsfreiheit ist. Es kommt darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass eine Einschränkung des Versammlungsrechts sogar geboten ist, um die Ausgestaltung der Sonn- und Feiertagsruhe in den Ländern überhaupt zu ermöglichen.

Einige der Fraktion hat diese Argumentation überzeugt, andere nicht.

Ich will aber auch daran erinnern, dass zu dieser Frage das Bundesverfassungsgericht eine erneute Entscheidung treffen wird, die dann möglicherweise Anlass gibt, erneut über diese Frage nachzudenken.

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