28.01.2017

LANDTAGSREDE: Runder Tisch zur Heimerziehung: Wir tragen Verantwortung für diese Kinder!

TOP 25: Ergebnisse des Runden Tisches Heimerziehung (Drs-Nr. 18/5050)

Es gilt das gesprochene Wort!

Der Landtag beauftragte den Sozialausschuss mit der Durchführung eines Runden Tisches zur Situation von Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Dieser hat sechsmal getagt, mit 130 Expertinnen und Experten aus allen Bereichen der Verantwortungsgemeinschaft für diese Kinder. Dieser Runde Tisch war ein Glücksfall.

Selten ist in dieser Breite zu diesem Thema diskutiert worden. Zum Erfolg trug auch die Moderatorin, Frau Dr. Birtsch bei, dafür herzlichen Dank. Etwa 6.000 Kinder und Jugendliche leben in Heimen Schleswig-Holsteins. Und wer einmal erlebt hat, wie ein Kind mit seinem Koffer in der Hand aus dem Elternhaus kommend, vor der Heimtür steht, ahnend, dass es für unbestimmte Zeit hier sein zu Hause finden soll, mit allen Ängsten, manchmal Hoffnungen – wer das einmal erlebt hat, wird die Verantwortung nicht beiseite schieben, die wir alle mit dieser Entscheidung tragen. Auch der Landtag. Mit diesem Runden Tisch hat er sie ein Stück wahrgenommen. Vom  Runden Tisch wurde nicht vergessen, dass jüngst in einzelnen Heimen tiefe Demütigung und Brechen des Willens von Kindern und Jugendlichen bekannt wurden. Das ist nicht hinnehmbar und auch wir haben dafür zu sorgen, dass solche Vorfälle aufgeklärt und abgestellt werden. Aber: Dies sind Ausnahmen. Die meisten Kinder in den 843 Einrichtungen werden gut betreut, von engagierten Mitarbeitern, verantwortungsvollen Trägern. Ein eindrucksvolles Erlebnis war in diesem Zusammenhang die Veranstaltung, zu der wir gemeinsam mit dem Kinderschutzbund Kinder und Jugendliche aus Heimen einluden. Sie berichteten  authentisch über ihre Situation und öffneten uns einen einen Blick in ihren Alltag, der Außenstehenden selten ermöglicht wird. Wir haben viel gelernt. In unserem Antrag werden einige Ergebnisse des Runden Tisches herausgehoben. Das System Heimerziehung muss ständig in seiner Wirksamkeit überprüft und weiterentwickelt werden. Daher sollte der Austausch zwischen den Verantwortungsträgern weitergeführt werden. Der Kontakt zwischen den Kindern und Jugendlichen und den Jugendämtern bzw. Vormündern ist oft mangelhaft. Die Kontakte zum Herkunftsort müssen erhalten bleiben, Hilfeplangespräche regelmäßig erfolgen und die Kinder müssen die Möglichkeit haben, über ihre Situation zu reden. Es war schon eindrucksvoll, wie viele Hände bei den Kindern unten blieben, als wir fragten, wer seinen Sozialarbeiter im letzten halben Jahr gesehen hat. Das geht nicht, so dürfen Kinder nicht vernachlässigt werden. Besser noch sind deshalb sozialräumliche Konzepte, damit die Kinder möglichst zu ihrem sozialen Umfeld Kontakte erhalten können. Von den 6.000 Kindern und Jugendlichen kommen 2600 aus der ganzen Bundesrepublik. Bei denen ist der Kontakt zusätzlich erschwert. Wir sollten ein Ziel gemeinsam mit den Einrichtungsträgern definieren: Jugendämter, die regelmäßige Besuche nicht garantieren, sollten in Einrichtungen Schleswig Holsteins keine Kinder unterbringen können. Die Beschwerdemöglichkeiten sind durch die Bürgerbeauftragte deutlich verbessert worden. Wir müssen aber besonders in sehr keinen Einrichtungen dafür sorgen, dass hier Kinder Zugang dazu haben.

Die Reform des § 45 SGB VIII muss kommen, damit die Heimaufsicht mehr Möglichkeiten hat, anlasslose, unangekündigte Kontrollen, gegebenenfalls Sanktionen rechtzeitig zu ergreifen; dies auch vor dem Hintergrund, dass viele Heime auch Wirtschaftsbetriebe sind. Wachsamkeit ist geboten.

Einen Schwerpunkt bildeten die so genannten „Grenzgänger”. Das sind schwer erreichbare Jugendliche mit besonderem Hilfebedarf. Zentral für den Umgang mit ihnen ist es, dass die Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie und den Jugendhilfeeinrichtungen deutlich intensiviert wird. Wir sind darin bestärkt, dass geschlossene Heime nicht zielführend sind. Freiheitseinschränkungen, zum Schutz der Kinder und Jugendlichen unter strenger richterlicher Kontrolle kann nur in Ausnahmefällen indiziert sein. Eine sensible Frage. Hierzu müssen deshalb Konzepte in enger Zusammenarbeit von Gerichten, Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie entwickelt werden. Das Ergebnis des Runden Tisches wird eine Grundlage für weitere Diskussionen sein. Ausdrücklich begrüße ich, wie die Ministerin auf die Anregungen des Runden Tisches reagiert hat, unter anderem  500.000 Euro für Projekte bereitgestellt hat.

Wir alle tragen Verantwortung.  Mit dem Runden Tisch haben wir diese Verantwortung ein Stück wahrgenommen.

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